Das Coronavirus hat die Arbeitswelt vieler Menschen auf den Kopf gestellt. Prozesse mussten überarbeitet oder neu entwickelt werden. Laura Benemann und Christina Krämer berichten aus dem Arbeitsfeld der Teilhabe, wie das gelingen kann.
Laura Benemann, Fachkraft Teilhabeberatung:
“Das letzte halbe Jahr hat viele neue Aufgaben gebracht”
Zur Person
Die 31-Jährige hilft Menschen mit Behinderung, chronischen Erkrankungen und sonstigen Einschränkungen, im Umgang mit Behörden und Kostenträgern. Dazu gehört, dass sie Fragen zu allen Themen der Sozialgesetzbücher, wie zum Beispiel zum Betreuten Wohnen oder zur Arbeitsmarktintegration beantwortet, aber auch zu Kostenträgern wie der Arbeitsagentur und den entsprechenden Anträgen. Mit zwei Kolleg*innen bildet sie ein junges Team bei der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) Duisburg des Paritätischen NRW.
“Bei uns ist kein Fall wie der andere. Die individuelle Geschichte jedes Menschen macht den Job so spannend. Vor allem wenn man Menschen, die langjährige Kämpfe durchmachen, die Last ein wenig von den Schultern nehmen kann”, sagt Laura Benemann. Ein Beispiel für ihre Tätigkeit ist, dass sie Menschen mit Einschränkungen dabei unterstützt, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Menschen sind teils seit Jahren bei einer Arbeitsagentur in der Kartei und kommen aus verschiedenen Gründen nicht voran. Laura Benemann schaut dann, welche Voraussetzungen auf welche Art erfüllt werden können, bis am Ende eine Qualifizierung oder eine Arbeitsstelle steht – damit die Menschen eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt erhalten und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können.
Normalerweise kommen die Ratsuchenden während der Sprechstunden oder zu Terminen in ihr Büro. Sind die Personen in ihrer Mobilität stark eingeschränkt, macht Laura Benemann auch Hausbesuche oder begleitet sie zu den Kostenträgern. Das ist aktuell nicht mehr möglich, die Sprechstunden und Hausbesuche wurden mit Beginn der Coronakrise komplett eingestellt. “Das letzte halbe Jahr war schon ein bisschen chaotisch und hat viele neue Aufgaben gebracht”, sagt sie, “wir konnten unsere Arbeitsabläufe allerdings im Rahmen der Gegebenheiten mit kreativen Ideen und flexiblem Handeln größtenteils aufrecht erhalten.”
Ganztägig telefonisch erreichbar
Das betraf hauptsächlich den Kontakt zu den Klient*innen, die auf die Beratung in ihrem Alltag angewiesen sind. “Wir sind sofort auf eine ganztägige, lückenlose, telefonische Beratung umgestiegen. Wir haben gemerkt, dass viele Anliegen tatsächlich schneller und einfacher telefonisch zu klären sind. Der Großteil der Klient*innen hat die Veränderungen positiv aufgenommen und ist aktuell einfach froh, uns verstärkt telefonisch erreichen zu können. Wenn wir mit den Klient*innen Anträge stellen wollen, ist das schwieriger. Wir benötigen für einen Antrag oft Unterlagen, die wir beim normalen Treffen von den Klient*innen bekommen”, sagt Laura Benemann. Diese Unterlagen werden jetzt oft per E-Mail oder Post geschickt.
Offene Sprechzeiten gibt es aktuell immer noch nicht, aber immerhin konnten schon einige Klient*innen zu den Kostenträgern begleitet werden und auch vorab terminierte Beratungen vor Ort sind wieder möglich. In größeren Räumen und unter Beachtung der Hygienevorschriften konnte ihnen geholfen werden. Die Begleitung der Kommunikation mit den Kostenträgern hat für die Klient*innen einen großen Einfluß auf deren Leben.
Christina Krämer, Bildungsreferentin berufliche Fortbildung
“Emotional und organisatorisch anstrengend”
Zur Person
Christina Krämer ist Bildungsreferentin bei der Paritätischen Akademie NRW und für berufliche Fortbildungen zuständig. Ihren Dienstsitz hat sie bei der Lebenshilfe Bildung NRW in Hürth, um dort in Zusammenarbeit mit Fachkräften aus der Eingliederungshilfe Weiterbildungsangebote für diese Zielgruppe zu entwickeln.
Hauptamtliche, die mit Menschen mit Behinderungen arbeiten (in der Beratung, Pflege etc.), profitieren in ihrer täglichen Arbeit von diesen Bildungsangeboten der Paritätischen Akademie NRW. Als die Coronakrise Mitte März Fahrt aufnahm, mussten nach den entsprechenden Verordnungen alle Präsenzveranstaltungen zunächst eingestellt werden. “Wir mussten reagieren. Einen Teil der Präsenzveranstaltungen haben wir auf digitale Angebote umgestellt. Unsere Referent*innen habe ich zum Beispiel darin geschult, wie man auch online ein Angebot attraktiv gestalten kann. Relativ schnell haben wir dadurch zum Beispiel wieder Online-Seminare zum Mobilen Arbeiten, zur Kommunikation oder zu Hygienestandards anbieten können”, sagt Christina Krämer.
Für Christina Krämers Zielgruppe in der Eingliederungshilfe war eine schnelle Reaktion sehr wichtig, denn der Bedarf an Fortbildungen hörte mit der Krise nicht auf. Schließlich müssen die Menschen mit Behinderung weiterhin betreut werden und die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen dafür gut geschult sein. Deshalb sei es wichtig gewesen, regelmäßig mit der veränderten Situation umzugehen, um den Fortbildungsbetrieb aufrecht zu erhalten.
Intern sei Mobiles Arbeiten wie vielerorts schnell das Stichwort geworden. “Wir sitzen eigentlich zu zweit im Büro und haben abwechselnd mobil gearbeitet. Dafür, dass das reibungslos geklappt hat, bin ich als Mutter doppelt dankbar”, sagt Christina Krämer. Schon im Vorfeld hatte sie die Möglichkeit, mobil zu arbeiten. Das hat sich in der Krise bezahlt gemacht: Innerhalb von einer Woche wurde das Mobile Arbeiten für alle eingerichtet.
Durch die Onlinekommunikation konnten zudem Ressourcen gespart werden. Fahrten aus Hürth quer durch Nordrhein-Westfalen nach Wuppertal oder Dortmund fielen erst einmal aus. Sie wurden durch Videokonferenzen, Telefonate und schriftliche digitale Kommunikation ersetzt: “Das hat erstaunlich gut funktioniert, und diese positive Rückmeldung hört man von allen Kolleg*innen aus meinem Arbeitsbereich”.
Corona-Schutzverordnung übers Wochenende umgesetzt
Das letzte halbe Jahr hat Spuren hinterlassen. “Der Bildungsbereich ist immer schon ein sehr wuseliger Bereich gewesen. In dieser Arbeitswelt musste man schon vorher kurzfristig auf wechselnde Anfragen und veränderte Anforderungen reagieren. Die erste Phase der Coronakrise empfand ich allerdings als emotional und organisatorisch sehr anstrengend. Die Corona-Schutzverordnungen wurden regelmäßig freitags aktualisiert. Es folgten zahlreiche Wochenenden, an denen die Umsetzung für Montag organisiert werden musste”, sagt Christina Krämer. Sie hofft, dass der Zusammenhalt wieder für bessere Zeiten sorgt: “Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen in meinem Arbeitsbereich verantwortungsvoller und empathischer miteinander umgehen. Ich wünsche mir, dass in Zukunft alle noch mehr auf ihre Mitmenschen achten, um die Situation in den Griff zu bekommen”.
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