Sicher und souverän entscheiden zu können und das Team für sich zu gewinnen: Wer das schafft, kann seine Ziele leichter erreichen. Im Interview erklärt Dozent Christian Kaminski, welchen Einfluss die Psychologie auf die Arbeit von Führungskräften hat.
Herr Kaminski, Sie sind Diplom-Psychologe und geben Seminare für Führungskräfte. Wie viel macht Psychologie in der täglichen Arbeit einer Führungskraft aus?
Man kann fast sagen 100 Prozent. Psychologie ist die Wissenschaft vom menschlichen Leben und Verhalten, und das ist auch der Kern von Führungsarbeit: Verhalten so zusammenzubringen, dass Ziele erreicht werden. Natürlich sollten sie dabei authentisch bleiben und sich nicht in wissenschaftliche oder technische Verhaltensmuster hineinbegeben. Psychologie kann dazu beitragen, dass sich Menschen in einer Führungsrolle weiterentwickeln.
Auf welche Situationen müssen Führungskräfte reagieren können?
Wichtiger als zu reagieren ist es eigentlich, zu agieren. Ich muss überlegen, welche Ziele ich erreichen will und wie ich die Mitarbeiter*innen dafür gewinnen kann. Es geht um fünf Felder, die ich als Führungskraft gestalten muss: Ergebnisse zu erzielen, die Kooperation im Team zu organisieren, langfristige Visionen aufzubauen, eine Kultur des Miteinanders zu schaffen, sowie nicht zuletzt mit Erwartungen umzugehen und dabei als Führungskraft authentisch und gesund zu bleiben. Reagieren muss ich allerdings auch. Auf dem Weg zum Ziel wird man immer auf Hindernisse stoßen. Dann ist es wichtig, schnell lösungsorientiert umschalten zu können.
Gibt es dafür überhaupt Standardlösungen?
Im Sinne eines Kochrezeptes ist das nicht zu verstehen. Es geht eher darum, eine Grundstruktur im Kopf zu haben und einzelne Werkzeuge einsetzen zu können. Bei einer schwierigen Gesprächssituation hilft es zum Beispiel, einen Plan im Kopf zu haben: Eine Beziehung aufzubauen, den Rahmen zu klären und dann in die Lösungsarbeit zu gehen. Dafür gibt es unterschiedliche Fragen, die ich in bestimmten Momenten einsetzen kann, um zur Lösung zu kommen.
Improvisation ist ebenfalls gefragt. Kann man das lernen?
Es gibt Menschen, die lieber vorbereitet in bestimmte Situationen gehen, und solche, denen Improvisieren mehr liegt. Es kommt darauf an, wie sicher ich mich darin fühle, wenn ich mich in offene Situation begebe. Improvisationstalent hat also auch damit zu tun, wie ich die oben erwähnten einzelnen Bausteine einsetzen kann. Ein Beispiel aus dem Führungsalltag: Es geht eigentlich immer darum, Ziele zu erreichen. Eine Methode ist es, sich vorzustellen, wie es aussieht, wenn ich das Ziel erreicht habe – die Lösung also vorwegzunehmen und rückwärts zu planen. Was vielleicht seltsam klingt, ist ein guter Weg, neue Ansätze zu finden. Wenn ich solche Bausteine habe, kann ich sie in vielen Situationen neu einsetzen und bin dadurch improvisationsfähiger.
Ein Stichwort, das Sie häufig benutzen, ist der Perspektivenwechsel. Warum ist es wichtig, andere Sichtweisen in seine Überlegungen einzubeziehen?
Es geht darum, Wirklichkeit zu gestalten. Die Wirklichkeit besteht aus der Wahrnehmung, die aber von zwei Menschen unterschiedlich aufgefasst werden kann. Nutze ich andere Perspektiven – zum Beispiel von Mitarbeiter*innen oder auch Kund*innen – komme ich häufig auf neue Lösungsansätze.
Es ist generell wichtig für Führungskräfte, ein Stück weit in sich zu ruhen. Gerade wenn es vielleicht mal heißer hergeht.“
Eine neue Perspektive erleben auch junge Führungskräfte durch ihre neue Rolle. Mit welchen Schwierigkeiten werden sie häufig konfrontiert?
Der Wechsel in eine Führungsrolle ist für Viele eine große Herausforderung. Das Verhalten verändert sich. Muster und Strategien, mit denen man früher erfolgreich war, führen nicht mehr unbedingt zum Erfolg. Das Beziehungsgeflecht wandelt sich. Ich merke schnell, dass ich mit bestimmten Themen öfters mal alleine dastehe, und nicht immer sind alle begeistert, wenn ich eine Idee habe (lacht). Die Herausforderung ist es einerseits gut in der Rolle anzukommen und anderseits mit unterschiedlichen Erwartungen klarzukommen – also mit Konflikten umgehen zu können, die meist nicht mit mir als Person zu tun haben. Dazu sollte man für sich selbst ein klares Führungsleitbild entwickeln. Das gilt übrigens nicht nur für junge Menschen, sondern generell für Einsteiger in eine Führungsposition.
Welche Rolle spielt ein sicheres Auftreten?
Es ist generell wichtig für Führungskräfte, ein Stück weit in sich zu ruhen. Gerade wenn es vielleicht mal heißer hergeht. Warum? Weil ich mit dem Zustand, in dem ich mich befinde, Wirkung erzeuge. Wenn ich Ruhe, Gelassenheit und Souveränität ausstrahle, wird meine Kommunikation sicherlich anders wahrgenommen als wenn ich sehr nervös und unsicher wirke. Das spiegelt sich nach außen. Ich muss reflektieren, woher Unsicherheiten kommen, und welche Situationen mich emotional beeinflussen.
Zur Person
Christian Kaminski ist Diplom-Psychologe, Coach und Entwicklungsbegleiter. Sein Ziel ist es, Menschen und Unternehmen – insbesondere aus dem non-profit-Bereich – zu helfen, „neue Perspektiven einzunehmen, die eigene Situation durch andere ,Brillen‘ wahrzunehmen und dadurch neue Lösungen, Strategien und Spielräume zu entdecken“. Kaminski ist als Dozent bei der Paritätischen Akademie NRW im Fachbereich Management aktiv.
Artikelfoto: © Contrastwerkstatt | fotolia
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