In der Systemischen Beratung unterstützen Berater*innen Klient*innen dabei, neue Perspektiven zu entdecken und eigene Wege zu entwickeln. Die Systemische Beraterin Anna Weißbecker erklärt, welche Haltung und Methoden dabei eine zentrale Rolle spielen.

Die Haltung in der Systemischen Beratung
Systemische Beratung lebt von einer offenen, wertschätzenden Haltung und wirkungsvollen Methoden, die Menschen darin unterstützen, ihre eigenen Lösungswege zu finden. Im systemischen Ansatz werden Menschen und ihre Probleme in Wechselwirkung innerhalb eines Systems gesehen. Er zielt darauf ab, durch veränderte Perspektiven und Kommunikation nachhaltige Lösungen zu fördern. „Jede Person hat ihre eigene Wirklichkeit – es lohnt sich nicht, über unterschiedliche Sichtweisen zu streiten, sondern sie zu verstehen“, sagt Anna Weißbecker. Eine wichtige Aufgabe der Berater*innen ist es, die individuelle Perspektive der Klient*innen zu erkunden, ohne sie zu bewerten.
Dabei wird oft mit der Metapher einer Landkarte gearbeitet: Während Klient*innen ihre Erfahrungen schildern, entsteht in der Vorstellung der Berater*innen eine Art Karte dieser inneren Welt. Doch auch wenn die Berater*innen eine Vorstellung davon entwickeln, wie jemand seine Umgebung erlebt, bedeutet das nicht, dass sie die gesamte Landschaft kennen. Es bleibt notwendig, immer wieder nachzufragen und zu reflektieren.
Mitentscheidend für eine erfolgreiche Beratung ist die Auftragsklärung. „Nicht jeder Mensch kommt mit demselben Anliegen. Manche möchten einfach klagen, andere wurden geschickt, wieder andere möchten aktiv etwas ändern“, sagt Anna Weißbecker. Berater*innen, die vorschnell Lösungsvorschläge machen, können auf Widerstand stoßen oder sich in einer Beratungssituation aufreiben. „Es ist entscheidend, nicht sofort ins Tun zu gehen, sondern erst zu verstehen: Worum geht es hier eigentlich? Wer sitzt mir gegenüber?“
Durch gezielte Fragen – beispielsweise aus der zirkulären Fragetechnik („Was würde Ihr Sohn dazu sagen, wenn er jetzt hier säße?“) – können Berater*innen Perspektivwechsel ermöglichen und Klient*innen helfen, sich von festgefahrenen Denkmustern zu lösen. Alles folgt dem Grundsatz, dass Menschen Expert*innen für sich selbst sind und eigene Lösungen entwickeln.
Zur Person
Anna Weißbecker ist Expertin für systemische Supervision, Therapie und Coaching. Ihr Ziel ist es, Menschen bei positiven Veränderungen, neuen Wegen und unentdeckten Perspektiven zu begleiten. Als Dozentin gibt sie bei der Paritätischen Akademie NRW Seminare zum Thema „Systemische Konzepte und Methoden“.
Methoden für die Praxis: Strukturieren und Externalisieren
Um Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen, stehen in der systemischen Beratung verschiedene Methoden zur Verfügung. Eine davon ist die Arbeit mit Problemkörben, die besonders hilfreich ist, wenn Klient*innen sich von einer Flut an Problemen überwältigt fühlen. Dabei werden die Probleme in drei Kategorien eingeteilt:
- Dringend und wichtig – nur zwei Themen, die sofort angegangen werden müssen, dürfen hier hinein.
- Wichtig, aber nicht dringend – Dinge, die geplant, aber nicht sofort erledigt werden müssen.
- Kann warten oder ist nicht so wichtig – Probleme, die aufgeschoben werden können.
„Diese Methode hilft, Klarheit zu gewinnen. Oft zeigt sich, dass sich Themen wiederholen oder weniger akut sind als gedacht“, erklärt Anna Weißbecker. „Zudem gibt die Methode Berater*innen eine Struktur, sodass sie sich nicht in der Problemdynamik verlieren.“ Die Methode entlastet zudem die Klient*innen, weil ihre Gedanken geordnet und visualisiert werden.
Ein weiteres systemisches Werkzeug ist das Externalisieren, das besonders bei Menschen eingesetzt wird, die sich selbst als Problem betrachten. „Viele sagen: ‚Ich bin immer so unorganisiert‘ oder ‚Ich flippe ständig aus'“, sagt Anna Weißbecker. „Hier hilft es, das Problem von der Person zu trennen.“ Stattdessen wird das Problem symbolisch auf einen Stuhl gesetzt – es wird zu etwas Externem, das betrachtet und analysiert werden kann. „Wenn die Reizbarkeit als eigenständige Figur neben einem sitzt, kann man sich fragen: Warum ist sie da? Wann tritt sie auf? Und was tut sie für mich?“ Ziel ist es, zu erkennen: Das Problem ist nur ein Teil der Person, nicht ihre gesamte Identität.
Diese Methode kann für Klient*innen ebenso wie für Berater*innen entlastend sein, da sie einen Perspektivwechsel ermöglicht. „Wir schauen nicht mehr direkt auf die Person, sondern auf eine dritte Instanz – das verändert die Dynamik und schafft neue Handlungsspielräume“, sagt Anna Weißbecker.
Artikelfoto: Canva
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