Das Onboarding neuer Mitarbeiter*innen ist mitentscheidend für den Erfolg eines Unternehmens. Dabei geht es längst nicht mehr nur um die klassische Einarbeitung mit Checklisten und Feedbackgesprächen. Vielmehr müssen Unternehmen neue Wege gehen, um Fachkräfte zu gewinnen und zu binden.
Von unserem Gastautor Jochen Schneider

Beim Onboarding denken wir zunächst an die klassische Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen. Hier gibt es die bekannten Instrumente einer möglichst gut geplanten Einarbeitung: Checklisten, regelmäßige Feedbackgespräche oder Mentor*innen. Neue Mitarbeiter*innen sollen – das ist das Ziel – möglichst schnell spielfähig gemacht werden.
Das nächste Level: Onboarding und Preboarding
Wenn wir heute über das sogenannte Onboarding und Preboarding im Rahmen der Einbindung neuer Mitarbeiter*innen sprechen, dann meinen wir mehr und zusätzliches zu dem Altbekannten – sozusagen das nächste Level der Einarbeitung. In Zeiten des Fachkräftemangels hat sich die Ausgangssituation verändert:
- Erstens: Die Vorzeichen haben sich umgekehrt. Es gibt einen Bewerber*innenmarkt. Gut qualifizierte Bewerber*innen können unter mehreren Stellenangeboten wählen. Sie wählen also das für sie attraktivste Stellenangebot aus.
- Zweitens: Angesichts des Fachkräftemangels fällt es zunehmend schwer, Stellen zeitnah zu besetzen – mit der Folge einer häufig längeren Vakanz.
Nicht besetzte Stellen bedeuten in der Regel, dass das vorhandene Team zusätzlich mit anpacken muss. Umso dringlicher wird der Ruf, die Stelle bitte möglichst schnell neu zu besetzen. Dies wiederum setzt Führungskräfte unter Druck. Sie müssen nun passende und leistungsfähige neue Kolleg*innen einstellen. Entsprechend hoch sind auch die Erwartungen an die neuen Mitarbeiter*innen. Sie mögen bitte möglichst schnell voll spielfähig sein. Dies wiederum kann neue Mitarbeiter*innen unter Druck setzen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Erwartungen nicht erfüllt werden, steigt. Deshalb reicht es in Zeiten des Fachkräftemangels für ein gelungenes Onboarding nicht mehr aus, die klassischen Instrumente einzusetzen. Es braucht mehr! Neue Mitarbeiter*innen zu gewinnen und ihren Einstieg so erfolgreich wie möglich zu gestalten, muss zum Projekt des ganzen Teams werden.
Mitarbeiter*innen vor dem ersten Arbeitstag binden
Womit wir beim Preboarding wären. Noch einmal: Begehrte Fachkräfte wählen das für sie attraktivste Stellenangebot aus. Das bedeutet auch, dass sie zwischen mehreren Angeboten wählen können. So kommt es immer häufiger vor, dass Bewerber*innen sich noch nach erfolgter Zusage für ein anderes Angebot entscheiden. Manche Einrichtungen, die diese bittere Verlusterfahrung ganz kurz vor dem Start gemacht haben, reagieren mit verständlicher, aber wenig nützlicher moralischer Empörung: wer sich so aus dem Staub macht, dem fehlt die persönliche Reife und Integrität. Wen hätten wir uns da ins Haus geholt?
Eine andere Schlussfolgerung aus der bitteren Erfahrung wäre: Wir müssen uns schon vor dem Start darum kümmern, unsere neuen Mitarbeiter*innen zu binden. Hier gibt es mittlerweile vielfältige Möglichkeiten, schon weit vor dem ersten Arbeitstag tätig zu werden. Das Team kommt ins Spiel: Vielleicht mit einem freundlichen Begrüßungsvideo. Oder ein*e Teambotschafter*in meldet sich bei der*dem zukünftigen Mitarbeiter*in. Wichtige Materialien können vorab verschickt werden, um das Ankommen zu erleichtern. Oder ein persönlich formulierter Brief zum Einstieg von der*dem neuen Vorgesetzten. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Der Sinn bei allem ist: frühzeitig sicherstellen, dass eine persönliche Bindung entsteht.
Zur Person
Diplom-Pädagoge Jochen Schneider ist als systemischer Organisationsberater und Coach aktiv. Personalentwicklung und Führung zählen zu seinen Themenschwerpunkten. Für die Paritätische Akademie NRW gibt er Seminare zu den Personalthemen Onboarding und Candidate Journey.
Psychologische Sicherheit und Teameinbindung
Aber das ist nicht alles: Sehr hilfreich ist es, wenn gleich nach dem Einstieg der*des neuen Mitarbeiter*in alles dafür getan wird, dass diese sich psychologisch sicher fühlen können in der neuen Einrichtung und dem neuen Team – zum Beispiel durch eine Fehler- und Feedbackkultur und Wertschätzung. Denn nur wer sich psychologisch sicher fühlt, der traut sich, die eigene Einarbeitung auch zum eigenen Projekt zu machen. Nämlich: Fragen zu stellen, eigene Unsicherheiten kundzutun, eigenen Unterstützungsbedarf aktiv anzusprechen und einzufordern. So etwas tut nur jemand, der sicher sein kann, dass eigene eingestandene Lücken und Unwissenheit nicht gegen einen verwendet werden.
Und: mittlerweile gibt es gute, pragmatische Tools, mit deren Hilfe recht zügig nach dem Einstieg eine ehrliche Bestandsaufnahme gemacht werden kann – hinsichtlich der Kompetenzen und Präferenzen der*des neuen Mitarbeitende*n. Auf diese Weise kann sich die*der neue Kolleg*in gut ins Team einfügen, und notwendiger Kompetenzaufbau kann systematisch und zügig auf den Weg gebracht werden.
Die Rolle des Teams beim Onboarding
Hier kommt wieder das gesamte Team ins Spiel: Die Haltung sollte sein, „wir helfen und unterstützen die*den neuen Mitarbeitende*n beim Ankommen in allen möglichen Hinsichten – zum Beispiel durch Mentor*innen und geförderten fachlichen und auch informellen Austausch. Aber wir erwarten auch, dass der*die neue Mitarbeitende seine persönliche Einarbeitung zu seinem eigenen Projekt erklärt.“ Dieser soll nicht von vorne bis hinten betüdelt werden, aber er soll die Gewissheit spüren, dass von Seiten der Einrichtung und des Teams alles getan wird, um den Einstieg gelingen zu lassen.
Artikelfoto: Canva
Kommentieren