Beim Essen in der Kita kommt es oft zu Konflikten. Entscheiden Erwachsene, was und wie viel Kinder essen sollen – ohne deren Wahrnehmung ernst zu nehmen – ist das ein Beispiel für Adultismus. Warum das problematisch ist und wie es besser geht, erklärt Kita-Expertin Katrin Krüger.
Frau Krüger, was ist Adultismus in Essenssituationen konkret und warum ist das ein wichtiges Thema in der pädagogischen Arbeit?
Gehen Erwachsene davon aus, besser zu wissen, was für ein Kind gut ist, nur weil sie älter oder erfahrener sind, spricht man von Adultismus. Die Gefahr für Kinder besteht darin, dass ihre Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse nicht hinreichend beachtet oder sogar übergangen werden, und sie das Vertrauen in ihre eigene Wahrnehmung verlieren.
Essen ist weit mehr als Nahrungsaufnahme, denn Essen bedeutet Teilhabe, Austausch und Gemeinschaft. In der Kita ist das Essen ein zentraler Bildungsbereich. Dafür braucht es eine entspannte Atmosphäre. In Essenssituationen zeigt sich Adultismus in Sätzen wie „Probiere wenigstens“ oder „Komm, die zwei Löffel schaffst du auch noch“ und geht oft mit grenzverletzendem Verhalten einher.

Wie wirkt sich adultistisches Verhalten auf die Selbstbestimmung von Kindern aus?
Erfahren Kinder im Kontakt mit Erwachsenen, dass diese immer besser wissen, was gut für sie ist, besteht die Gefahr, dass Kinder ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr vertrauen. Der Bildungsauftrag besteht für pädagogische Fachkräfte darin, Kinder so zu begleiten, dass diese spüren können, wie sich ihre Sattheit anfühlt, dass sie ihre Körpersignale wahrnehmen und auf ihre eigenen Bedürfnisse achten lernen.
Im pädagogischen Alltag hilft es, sich bewusst zu machen, welche Botschaften man den Kindern vermittelt. Eine hilfreiche Übung: Fachkräfte können sich Sätze aus der eigenen Kindheit ins Gedächtnis rufen. Waren diese Sprüche unterstützende „gute Geister“ oder eher ein „Gespenst“ und ein Druckmittel? Die Reflexion dieser „Gespenster der Vergangenheit“ hilft dabei, das eigene Verhalten zu verändern.
Gleichzeitig brauchen Kinder Orientierung in Esssituationen. Klare Strukturen, eine wertschätzende Kommunikation und unterstützende Methoden wie die Gewaltfreie Kommunikation oder Marte Meo können dabei helfen, dass Kinder den Esstisch als einen Ort der Freude, des Ausprobierens und des Austauschs erleben.
Welche Strategien können Fachkräfte anwenden, um eine wertschätzende und partizipative Esskultur zu fördern?
Erstens – Vertrauen statt Zwang: Die pädagogischen Fachkräfte vertrauen bei einem gesunden Kind darauf, dass es etwas isst, wenn es hungrig ist. Neben dem Hauptgericht stehen die sogenannten Ankerlebensmittel, wie Brot, Obst und/oder Rohkost parallel zur Verfügung, sodass jedes Kind etwas finden kann, das es mag. Das Kind entscheidet selbst, was und wie viel es sich vom Angebot nimmt.
Zweitens – satt heißt satt: Macht ein Kind deutlich, dass es satt ist, wird das vom Erwachsenen akzeptiert und kann den Teller wegstellen. Kein Kind muss den Teller leer essen. Auch dann nicht, wenn es sich den Teller selbst mit Essen befüllt hat. Stattdessen kann gemeinsam überlegt werden, wie das Kind sich leichter einschätzen kann – etwa, indem es sich am nächsten Tag eine kleinere Portion nimmt, sich aber immer etwas nachnehmen kann.
Drittens – Bedürfnisse erkennen: Junge Kinder im U3-Bereich können während der Mahlzeiten so müde sein, dass sie mit dem Kopf auf den Teller sinken. Hier steht das Bedürfnis nach Schlaf vor dem Hunger. Feinfühlig können individuelle Bedürfnisse wahrgenommen und angemessen begleitet werden. Eine Möglichkeit kann sein, ein gemütliches Körbchen neben dem Tisch bereitzustellen, in dem das Kind ruhen kann. Das ermöglicht der Fachkraft, sowohl beim müden Kind als auch bei der Tischgemeinschaft zu sein.
Zur Person
Katrin Krüger ist Erzieherin, Marte Meo Supervisorin, Therapeutin, Fachberaterin, Mitgründerin des KT Instituts für Entwicklung und Kommunikation in Wuppertal und Fachautorin. Sie hat zahlreiche Fachbücher und weiterführende Materialien zum Thema Essen mit Kindern veröffentlicht. Bei der Paritätischen Akademie NRW leitet sie Seminare unter anderem zum Thema „Adultismus in Essenssituation vermeiden“.
Artikelfoto: Canva
Kommentieren