• Start
  • Menschen
  • Fokus
  • Start
  • Menschen
  • Fokus

Gewaltschutzkonzepte in Pflegeeinrichtungen: Herausforderungen und Lösungen

20. August 2024

Gewaltprävention ist ein wichtiges Thema in Pflegeeinrichtungen der Eingliederungshilfe. Maik Tzschentke erläutert als Multiplikator für Gewaltprävention in unserem Interview die Ursachen von Gewalt und die notwendigen Gegenmaßnahmen. Im Mittelpunkt steht das Gewaltschutzkonzept als erster Schritt zur Prävention. 

Herr Tzschentke, wie entsteht Gewalt in stationären oder ambulanten Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen? 

Die Ursachen für Gewalt in Pflegeeinrichtungen sind vielschichtig und komplex. Auf Seiten der Mitarbeitenden gibt es klassische Merkmale wie mangelnde Sensibilität für nonverbale Kommunikation, Über- und Unterforderung sowie private Probleme und dienstliche Schwierigkeiten im Kontext von Stress und Druck, beispielsweise durch erhöhte Pflegeanforderungen, die ebenfalls zu übergriffigem Verhalten führen können.  

Auf Seiten der Bewohner*innen der Pflegeeinrichtungen können auch Menschen mit Beeinträchtigungen Gewalt ausüben. Diese Gewalt entsteht häufig als Symptom der Behinderung, besonders wenn Menschen sich verbal nicht ausdrücken können. Gewalt wird dann zum Signalverhalten, um zu zeigen: „Das möchte ich nicht“. Es drückt sich zum Beispiel in lautem Schreien, körperlichen Angriffen oder auch autoaggressivem Verhalten gegenüber sich selbst aus. 

Portraitfoto von Maik Tzschentke. Foto: Dietrich Kühne
Maik Tzschentke: Foto: Dietrich Kühne

Wie müssen Einrichtungen darauf reagieren? 

Ein wichtiges Element ist ein umfassendes Gewaltschutzkonzept. Seit 2021 sind Einrichtungen der Eingliederungshilfe verpflichtet, ein Gewaltschutzkonzept zu entwickeln und umzusetzen (Paragraf 37a Abs. 1 SGB IX). Genauso wichtig wie die gesetzliche Verpflichtung finde ich die grundsätzliche Haltung, dass eine Einrichtung gewaltfrei im Alltag sein möchte und klar dafür einsteht, keine Übergriffigkeiten zu tolerieren. 

Zu Beginn des Schutzkonzeptes sollten Einrichtungen interdisziplinäre Arbeitsgruppen bilden, die auch externe Kräfte wie Ergotherapeut*innen oder Physiotherapeut*innen einschließen. Diese Arbeitsgruppen führen Risikoanalysen durch und entwickeln ein gemeinsames Verständnis dafür, ab welchem Punkt Gewalt beginnt. Denn Gewalt meint nicht nur physische Gewalt, wie zum Beispiel ein Schlag ins Gesicht. Sie beginnt oft schon viel früher, auf nonverbaler Ebene: Abwertende Mimik und Gestik oder mangelnde Aufmerksamkeit gegenüber einer Person können bereits sehr gewaltvoll wirken.  

Zur Person

Maik Tzschentke ist Heilpädagoge und Multiplikator für Gewaltprävention bei den Harz-Weser-Werken. Für die Paritätische Akademie NRW gibt er Seminare zum Thema Gewaltprävention. Darunter sind auch Fortbildungen zum Thema ChatGPT für Leitungskräfte in der Kita.


Welche Kernpunkte sollte ein Gewaltschutzkonzept außerdem umfassen? 

Ein entscheidender Punkt ist: Theoretische Konzepte sind ein Anfang, aber Schulungen für das Personal sind der wahre Kern des Gewaltschutzkonzepts. Sonst verschwinden Konzepte irgendwann im Regal. In dem Konzept wird verankert, dass Mitarbeitende und Führungskräfte regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen, um sich für die unterschiedlichen Formen von Gewalt zu sensibilisieren. Denn es geht in einem Gewaltschutzkonzept nicht um konkrete Lösungsvorschläge, wie ich im Alltag auf Gewaltsituationen reagieren kann. Darin steht auch nicht, wie wir Gewalt konkret verhindern können. Das lernen die Mitarbeitenden und Führungskräfte in einzelnen Schulungen. 

Vorab ist es deshalb aber wichtig, den Schulungsbedarf für verschiedene Formen von Gewalt festzustellen – für den Umgang mit körperlicher, seelischer, struktureller Gewalt, Cybergewalt oder Mobbing. Besonders bei sexueller Gewalt sind spezielle Fortbildungen wichtig, denn es müssen präventive Maßnahmen ergriffen werden, da Menschen mit Beeinträchtigungen oft wenig bis gar keine sexuelle Bildung erhalten.  

Wie eine Einrichtung mit einem Vorfall umgeht, ist ebenfalls Teil des Konzeptes. Es wird eine konkrete Handlungsanweisung erstellt, wie Mitarbeitende und die Einrichtung den Vorfall dokumentieren und damit umgehen. Mitarbeitende beobachten den Vorfall und geben ihn lediglich weiter, sie haben damit ihre Pflicht getan. Bewertet wird er auf der Führungsebene von der Bereichsleitung. Dazu gehören ärztliche Untersuchungen, gegebenenfalls polizeiliche Strafanzeigen oder die Einbindung von gesetzlichen Betreuer*innen.  

So vorzugehen, schafft für Mitarbeitende eine klare Handlungssicherheit und hilft dabei, Beobachtungen nicht unter den Tisch fallen zu lassen, sondern zu thematisieren. Dazu zählen auch Nachsorgegespräche, die eine wichtige Rolle einnehmen und oft unterschätzt werden: Antworten auf Fragen wie „Wie geht es mir nach der Situation?“ oder „Was müssen wir tun, um die Situation zu verbessern?“ helfen, mit Gewaltsituationen zurecht zu kommen. 

Ziel des Konzeptes ist es in jedem Fall, sowohl das Thema zu enttabuisieren als auch Gewalt gar nicht erst aufkommen zu lassen. Es soll Vertrauen zwischen Mitarbeitenden, Leitung und Bewohner*innen schaffen, damit sich alle in der Einrichtung geborgen fühlen.  

Artikelfoto: Canva

EingliederungshilfeGewaltGewaltpräventionMenschen mit Behinderung
Teilen

Allgemein  / Top-Themen

Redaktion Bildung erleben

Dir gefällt vielleicht auch

Praxistipps: Wie mehr Menschen mit Sehverlust an Weiterbildung teilhaben können
6. Februar 2025
Wie Menschen mit Sehverlust an Weiterbildungen teilnehmen
3. Dezember 2024
Quereinstieg zur Betreuungskraft A+: Eine Lösung bei Fachkräftemangel
27. November 2024

Kommentieren


Schreibe einen Kommentar Antwort abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

  • Folgt uns auf

  • Tags

    Digitalisierung Fachmessen Fachtag Führungskräfte Integration Kindertageseinrichtung Kita Messen Personal Weiterbildung
  • Kategorien

    • Allgemein (109)
    • Events (8)
    • Fokus (12)
    • Menschen (16)
    • Top-Themen (93)
  • Neueste Kommentare

    • Christa Hammer bei Zehn Jahre neue Impulse für die Selbsthilfe
    • paris09 bei Der Weg zu eurer perfekten Recruiting-Strategie
    • Claudia Leippert bei “Gefühlsstarke Kinder brauchen mehr Bindung statt Bildung”
    • Katrin Hegedorn bei Menschen aus den Schulden helfen
    • Will Niemer bei Menschen aus den Schulden helfen
  • Archiv

    • September 2025
    • August 2025
    • Juli 2025
    • Juni 2025
    • März 2025
    • Februar 2025
    • Januar 2025
    • Dezember 2024
    • November 2024
    • September 2024
    • August 2024
    • Juli 2024
    • Juni 2024
    • Mai 2024
    • März 2024
    • Februar 2024
    • Dezember 2023
    • November 2023
    • Oktober 2023
    • Juni 2023
    • April 2023
    • Februar 2023
    • Dezember 2022
    • November 2022
    • September 2022
    • Juli 2022
    • Juni 2022
    • Mai 2022
    • April 2022
    • März 2022
    • Januar 2022
    • November 2021
    • Oktober 2021
    • September 2021
    • Juli 2021
    • Mai 2021
    • April 2021
    • März 2021
    • Februar 2021
    • Januar 2021
    • November 2020
    • Oktober 2020
    • September 2020
    • Juli 2020
    • Juni 2020
    • Mai 2020
    • April 2020
    • März 2020
    • Februar 2020
    • Januar 2020
    • Dezember 2019
    • November 2019
    • Oktober 2019
    • September 2019
    • Juli 2019
    • Juni 2019
    • Mai 2019
    • März 2019
    • Januar 2019
    • Dezember 2018
    • November 2018
    • Oktober 2018
    • September 2018
    • August 2018
    • Juli 2018
    • Juni 2018
    • Mai 2018
    • April 2018
    • März 2018
    • Februar 2018
    • Januar 2018
    • Dezember 2017
    • November 2017


  • Blog-Infoservice

    Lass dich automatisch per Mail über neue Beiträge in unserem Blog informieren:

    Hinweis: Unser Infoservice ist kostenlos und Du kannst dich jederzeit wieder abmelden.

    Die Angabe von Vor- und Nachnamen ist freiwillig. Unsere Datenschutzbelehrung findest Du hier.

    Toll, dass Du dich einträgst. Bitte prüfe deinen Posteingang oder Spam-Ordner, um dein Abonnement zu bestätigen.

  • Letzte Artikel

    • „Datenschutz betrifft alle“ 17. September 2025
    • Spielen im Offenen Ganztag: Warum Spiel mehr ist als nur Zeitvertreib 7. August 2025
    • Wie ihr von E-Learning profitieren könnt 23. Juli 2025
  • Wichtige Links

    • Impressum
    • Datenschutzerklärung
    • Cookie-Einstellungen
    • Sende uns eine Mail
    • Archiv aller Artikel
  • RSS-Feed


internetgarden.de®