Agile Methoden ermöglichen es Kita-Teams, Veränderungen transparenter und partizipativer zu gestalten. Warum das so wichtig ist und wie es konkret im Alltag funktionieren kann, erklärt Erziehungswissenschaftlerin Valerie Herlyn im Interview.
Frau Herlyn, warum sind agile Methoden besonders gut geeignet, um Veränderungen in Kitas zu begleiten?
Agile Methoden sind mehr als Werkzeuge – sie basieren auf einer Haltung. Es geht darum, Verantwortung zu teilen, Mitarbeitende einzubinden und eine offene Lern- und Fehlerkultur zu fördern. In vielen Kitas werden Entscheidungen klassisch „von oben“ getroffen und dann dem Team präsentiert. Das führt oft zu Widerstand, weil die Fachkräfte keine Möglichkeit hatten, den Prozess mitzugestalten.
Hier setzen agile Methoden an: Statt große Veränderungen auf einmal einzuführen, werden sie in kleinen Schritten gemeinsam mit dem Team entwickelt. Es gibt regelmäßige Feedbackschleifen, sodass Anpassungen jederzeit möglich sind. Dadurch wird der Prozess transparenter und die Akzeptanz steigt. Gerade in einem Bereich wie der Kita, der für Kinder und Eltern auf Stabilität ausgelegt ist, kann diese schrittweise durchgeführte Vorgehensweise helfen, Unsicherheiten zu reduzieren und Mitarbeitende langfristig zu binden. Studien zeigen, dass Bindung stark mit Einbindung korreliert und Fluktuation im Team vorbeugen kann.

Was ist eine typische, kitataugliche agile Methode?
Ein Beispiel ist Scrum. Bei diesem Modell gibt es einen Pool an Aufgaben, die priorisiert und in kleine, umsetzbare Schritte zerlegt werden. Nehmen wir an, eine Kita möchte ihren Fokus auf das Thema gesunde Ernährung legen. Daraus ergeben sich größere Aufgaben, wie zum Beispiel die Mahlzeiten umzustellen, Workshops zum Thema Essen mit den Kindern durchzuführen, oder mit ihnen gemeinsam einen Gemüsegarten einzurichten.
Nach Scrum werden daraus wieder einzelne, kleinere Aufgaben entwickelt, die von Teams übernommen werden. Beim Thema Gemüsegarten wäre das zum Beispiel, zu recherchieren, welche Gemüsesorten gut anbaubar sind oder mit welchen Sorten Kinder über das Jahr etwas über die Natur lernen können. Nach jeder Phase – dem sogenannten „Sprint“ – wird von den Teams überprüft: Was lief gut? Was können wir verbessern? So wird Veränderung in kleinen, machbaren Schritten umgesetzt. Und alle kennen den aktuellen Stand des Projekts.
Welche typischen Herausforderungen erleben Kitateams bei Veränderungsprozessen, und wie kann Agilität helfen?
Die größte Herausforderung ist oft der Widerstand gegen Neuerungen. Kita-Teams sind stark in Routinen eingebunden, und große Veränderungen können Verunsicherung auslösen. Agile Methoden helfen, indem sie Transparenz schaffen und klare Gestaltungsspielräume definieren.
Gerade bei gesetzlichen Änderungen oder neuen Förderprogrammen fühlen sich Teams oft überrollt. Hier kann Agilität helfen, indem man frühzeitig klärt: Was ist vorgegeben, und wo haben wir Spielraum? So können Teams aktiv mitgestalten, anstatt nur Anweisungen umzusetzen. Wenn bei wenigen Ressourcen Aufgaben priorisiert werden und trotz der Umstände erledigt werden können, werden Stillstand und Resignation verhindert.
Wie können pädagogische Fachkräfte agiles Arbeiten in ihren Kita-Alltag integrieren, ohne sich überfordert zu fühlen?
Der Schlüssel ist: klein anfangen. Wer noch nie mit agilen Methoden gearbeitet hat, sollte zunächst einfache Feedback-Formate einführen. Führungskräfte können Listen erstellen: Welche Ergebnisse sind für mich als Führungskraft verhandelbar, welche nicht?
Wichtig ist auch, eine wertschätzende Feedbackkultur aufzubauen. In vielen Teams wird Rückmeldung noch als Kritik empfunden. Hier hilft es, gemeinsam zu erarbeiten, wie man sich offen und respektvoll Feedback gibt. Agile Methoden entfalten ihre Wirkung erst dann richtig, wenn das Team bereit ist, Fehler als Lernchance zu sehen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Zur Person
Valerie Herlyn ist Erziehungswissenschaftlerin und Scrum-Master. Bei der Paritätischen Akademie NRW gibt sie Seminare zu den Themenbereichen Veränderungsprozesse und Feedback.
Artikelfoto: Canva
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