Sozialberaterin Lena Voß absolviert eine Zusatzausbildung als Fachberaterin für Psychotraumatologie, um ihre Sensibilität für traumatische Erfahrungen ihrer Klient*innen weiterzuentwickeln. Sie begleitet junge Zugewanderte, ihren eigenen Weg in Deutschland zu finden.
Wenn Lena Voß mit ihren Klient*innen spricht, zeigt sich manchmal unvermittelt das ganze Leid, das manche Menschen mit Fluchterfahrung in ihrem seelischen Rucksack mitschleppen. Dann berichten sie von Gewalt, Krieg und schlimmen Erlebnissen zuhause und auf der Flucht, aber auch von Diskriminierung und Rassismus in Deutschland. “Unsere Beratung bietet betroffenen Menschen die Möglichkeit, in einem geschützten Raum über belastende Themen zu sprechen und gemeinsam an Lösungen und Entlastungen zu arbeiten. Wenn jemand durch die Beratung wieder mehr emotionalen Halt für sich im Alltag bekommen hat und dadurch eigenen Zielen nähergekommen ist, dann sind das große Erfolge”, sagt Lena Voß.
Die Sozialberaterin unterstützt junge Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren in unterschiedlichsten Lebensbereichen. Wenn sie nach Deutschland kommen, haben sie viele Fragen: zu ihrem Aufenthalt, zum Lernen der neuen Sprache, zu Schule, Ausbildung und Beruf. Hinzu kommt, dass sie in ihrem Leben oftmals bereits schwere Krisen überstehen mussten. Sie kommen teils aus Kriegsgebieten. In der Beratung ist es deshalb wichtig, nicht nur bei der Lösung von Alltagsproblemen zu unterstützen, sondern auch psychologische Hilfestellung mit einfließen lassen zu können, damit die Menschen gestärkt werden und ihre Angelegenheiten selbstbewusster und selbstbestimmter regeln können.
ZUR PERSON
Lena Voß arbeitet als Pädagogische Fachkraft bei Aufwind, der Trauma- und Sozialberatung für junge Zugewanderte. Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine Therapie, sondern um eine Traumaberatung. Bei Anzeichen einer Traumatisierung wird versucht, diesen besonderen Umstand in den Beratungsprozess mit einzubeziehen, um die Zeit bis zum Beginn einer Therapie zu überbrücken. Laut dem Mediendienst Integration haben Geflüchtete selten direkten Zugang zu psychologischer Hilfe: In den ersten 15 Monaten des Aufenthalts könnten Asylbewerber*innen bei akuten Erkrankungen zum Arzt gehen; nur in Ausnahmefällen genehmigten Sozialämter unbegleiteten Minderjährigen oder Gewaltopfern eine zusätzliche Psychotherapie.
Die Beratungsstelle ist so konzipiert, dass eine gewinnbringende Mischung entstehen soll. Lena Voß übernimmt in der Einrichtung den Teil der Sozialberatung, Leiterin Linda Bruchholz den der psychologischen Beratung. Die beiden können sich gegenseitig mit ihrer Expertise unterstützen, zum Beispiel durch gemeinsame Teilnahme an Supervision und Fallbesprechungen. Um in ihren eigenen Beratungsgesprächen besser auf seelische Belastungen ihrer Klient*innen eingehen zu können, absolviert Lena Voß aktuell die berufsbegleitende Zusatzausbildung “Fachberater*in Psychotraumatologie”. “Ich habe schon jetzt festgestellt, dass ich in der Sozialberatung ein viel besseres Auge auf psychotraumatologische Hintergründe habe”, sagt sie.
Ein “Aha-Erlebnis” sei das Modell der Traumadynamik nach Fischer gewesen, das ihr in dem Kurs vermittelt wurde: “Es hat mir geholfen, zu verstehen, wie wichtig das persönliche Netzwerk für einen Menschen mit Trauma-Erfahrung ist. Und wie man einen Menschen als Teil seines Umfeldes positiv unterstützen kann, damit er*sie die Ressourcen, die mitgebracht werden, nutzen kann.” Zu Anfang ihrer Tätigkeit, gibt sie offen zu, habe sie sich oft unsicher gefühlt, wenn sich Traumata im Gespräch Bahn gebrochen hätten – zum Beispiel, wenn Klient*innen Suizidgedanken hatten.
Da es sich immer um einen individuellen Menschen handelt, sei zwar jede Beratungssituation neu. Aber innerhalb der Zusatzausbildung lernen die Teilnehmenden, dass es durchaus sich wiederholende Symptombilder bei traumatisierten Menschen gibt. Die Sozialberaterin achtet seither genauer auf Anzeichen traumatischer Belastungen wie Alpträume oder Schlafstörungen, körperliche Probleme und Schmerzen, Suchtverhalten, und besonders den körperlichen und sprachlichen Ausdruck des Gegenübers. Viel Beziehungsarbeit ist nötig. Traumata und ihre Auswirkungen besser erkennen zu können, ermöglicht laut Lena Voß eine erweiterte Sichtweise.
“Wir legen eine hohe Akzeptanz für das Tempo der*des Ratsuchenden an den Tag. Wir können uns deshalb mehr Zeit für die einzelne Person nehmen. Geduld ist ein großes Thema, zum Beispiel, wenn sich jemand trotz Termins nicht bei uns meldet. Dann suchen wir nach den Ursachen, warum die Person den Rückzug gebraucht hat.“ Diverse Lösungsansätze können bei den Klient*innen für “erste Hilfe” sorgen, zum Beispiel Stabilisierungstechniken wie die der Distanzierung. Dann rät Lena Voß zu Entspannungs- und Meditationsübungen, die unter anderem endloses Gedankenkreisen stoppen können.
Traumreisen können den Betroffenen helfen, einen sicheren Ort in sich selbst zu finden. Techniken, die übrigens auch den beiden Beraterinnen der Trauma- und Sozialberatungsstelle helfen: “Natürlich müssen wir darauf achten, dass wir eigene Emotionen nicht zu stark an die Klient*innen spiegeln und auf sie übertragen – zum Beispiel wenn wir traurig sind oder uns aufgrund vorangegangener Gespräche ein bisschen aufgedreht fühlen.” Damit die emotionalen Momente in der Beratung möglichst oft positiver Natur bleiben.
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