Konflikte im Arbeitsalltag sind unvermeidlich. Doch wie gehst du als Führungskraft richtig damit um? Im Interview erklärt Mediatorin und Systemische Coachin Corinna Kaufhold, wie Mediation Teams unterstützen kann, welche Phasen es gibt und warum emotionale Aspekte so wichtig sind.
Frau Kaufhold, was sind die häufigsten Konflikte, die Sie in Ihrer Arbeit mit Teams beobachten?
Der häufigste Auslöser für Konflikte ist mangelnde Kommunikation. Oft entstehen Missverständnisse, weil sich niemand die Zeit nimmt, sicherzustellen, dass der andere wirklich verstanden hat, was gesagt wurde. Ein weiterer Grund ist, dass Rollen und Aufgaben nicht geklärt sind. Unausgesprochene Erwartungen und unklare Zuständigkeiten führen zu Konflikten, sowohl im Team als auch zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften.
Dabei geht es viel um Transparenz: Wer hat welche Aufgaben? Darf ich Aufgaben übernehmen? Es wird problematisch, wenn diese Fragen nicht geklärt sind – und wenn sich Führungskräfte selbst nicht in ihrer Führungsrolle sicher fühlen. Mitarbeitende erwarten hier oft eine klare Orientierung, wann Führungskräfte entscheiden und wann die Mitarbeitenden mitentscheiden können.
Zur Person
Corinna Kaufhold ist Mediatorin, Systemische Coachin und Trainerin. Ihr Schwerpunkt ist es, die erfolgreiche Zusammenarbeit in Teams zu fördern. Bei der Paritätischen Akademie NRW gibt sie Seminare für Führungskräfte zu Themen wie Mediation, Coachingkompetenz entwickeln, Resilienz oder Konfliktmanagement in Teams meistern.
Warum ist es besonders wichtig, Konflikte im beruflichen Alltag frühzeitig anzugehen und zu lösen?
Es ist wichtig, zu erkennen, wann ein Konflikt eskaliert. Das Eskalationsmodell von Friedrich Glasl besteht aus neun Stufen. Zu Beginn eines Konflikts, wenn es um Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten geht, muss eine Führungskraft noch nicht zwingend eingreifen. Hier sollte sie eher an die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden appellieren, die Meinungsverschiedenheit untereinander zu klären. Sich zu früh einzumischen kann die Situation sogar manchmal verschlimmern. Entscheidend ist, zu erkennen, wann ich als Führungskraft einschreiten muss. Das ist zum Beispiel nötig, wenn Konflikte regelmäßig neu aufbrechen. In den ersten drei Stufen des Eskalationsmodells kann eine Führungskraft noch moderieren. Ab der vierten Stufe, wenn eine Grüppchenbildung stattfindet, wird es schwieriger, und am Ende bleibt nur noch der Eingriff von oben – bis hin zu Maßnahmen wie Abmahnungen oder Kündigungen.
Welche Vorteile bietet die Mediation im Vergleich zu anderen Konfliktlösungsstrategien?
Mediation ermöglicht es den Konfliktparteien, selbst eine Lösung zu finden. Die Führungskraft moderiert nur und lenkt das Gespräch durch Techniken wie aktives Zuhören, Emotionen benennen, wertfrei und achtsam sprechen, offene Fragen stellen, Perspektivwechsel einnehmen und vor allem geduldig sein. Das stärkt die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden und führt oft zu nachhaltigeren Lösungen. Es schafft auch eine Kultur, in der Konflikte auf Augenhöhe gelöst werden können.
In Ihren Seminaren lernen die Teilnehmenden das Phasenmodell der Mediation kennen. Können Sie das Modell kurz erklären?
Das Phasenmodell umfasst fünf Schritte. Zunächst wird die Gesprächsatmosphäre geschaffen: Alle müssen gesprächsbereit sein. Dann stellen die Konfliktparteien ihre Standpunkte dar. Jede*r hat dafür gleich viel Zeit und kommt zu Wort. In der dritten Phase erfolgt der Perspektivwechsel: Die Beteiligten versuchen, die Sicht des anderen zu verstehen. Wenn ein Gespräch gut begleitet wird, öffnen sich jetzt die Konfliktparteien füreinander. Das gegenseitige Verständnis führt zur vierten Phase, in der die Konfliktparteien gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln. Gehen die Meinungen weit auseinander, muss die Führungskraft Lösungen einfordern, damit die Konfliktparteien arbeitsfähig bleiben. Abschließend werden die Vereinbarungen festgehalten und zu einem späteren Zeitpunkt reflektiert.
Warum ist es wichtig, Emotionen, Interessen und Bedürfnisse im Mediationsprozess zu berücksichtigen?
Emotionen sind oft der Schlüssel zur Lösung. Konflikte, die nur auf der Sachebene behandelt werden, tendieren dazu, wiederzukommen. Es geht darum, die tieferliegenden Bedürfnisse und Werte zu erkennen, die das Verhalten beeinflussen. Hier muss die Führungskraft selbst offen und empathisch sein. Wie gehe ich in ein Gespräch? Habe ich eine Person schon vorher in eine Schublade gesteckt oder bin ich unvoreingenommen? Wie gehe ich mit meinen eigenen Emotionen gegenüber den Personen um? Diese Techniken können Führungskräfte lernen.
Können Sie ein Beispiel aus Ihrer Praxis teilen, in dem die Mediation erfolgreich zur Konfliktlösung beigetragen hat?
Ein beeindruckendes Beispiel war ein Konflikt zwischen einem Elternrat und der Kita-Leitung. Der Auslöser war eine E-Mail ohne Anrede, die das Fass in ein einer länger währenden, konfliktreichen Zeit zum Überlaufen brachte. Als die Elternvertreterin erkannte, wie schmerzhaft diese Unaufmerksamkeit für die Kita-Leitung in diesem Moment war, entschuldigte sie sich sofort. Das war der Wendepunkt, der den Weg für eine produktive Zusammenarbeit ebnete. Der Moment für den Perspektivwechsel war da und führte dazu, dass fortan an inhaltlichen Themen gearbeitet werden konnte. Das ist einer von den “magischen Momenten” in der Mediation, in denen eine große Chance für alle Konfliktparteien liegt.
Artikelfoto: Canva
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