Immer mehr Menschen sind verschuldet und sogar überschuldet. Die Schuldnerberatung wird deshalb in vielen Berufsfeldern der sozialen Arbeit immer wichtiger. Beraterin und Dozentin Margarethe Meyer stellt einen Instrumentenkoffer für den Ersteinsatz vor.
Schuldnerberatung findet in unterschiedlichen beruflichen Feldern statt. In den meisten Fällen sind Schuldnerberater*innen Menschen, die soziale Arbeit studiert haben, oder Bankkaufleute, die quasi die Seite gewechselt haben. Juristen zählen zum Kreis der Schuldnerberater*innen, sowie Quereinsteiger*innen, die sich zum Beispiel in der Verbraucherinsolvenzberatung selbstständig machen wollen. Ökotropholog*innen, die zum Beispiel bei Verbraucherzentralen für die Konsumentenberatung zuständig sind, haben immer wieder mit Klient*innen in der Schuldenfalle zu tun. Die Paritätische Akademie NRW bietet einen Zertifikatskurs Schuldner- und Insolvenzberatung an, der beim Erwerb wichtiger Kompetenzen hilft. Für eine anerkannte Stelle in diesem Arbeitsbereich benötigt man zusätzlich unter anderem eine Zertifizierung durch die Bezirksregierung.
Verschuldet sein ist keine Frage des Alters. “Es gibt eine Zunahme von jungen Schuldnerinnen und Schuldnern unter 25 Jahren. Das hat viel damit zu tun, dass es heutzutage leicht ist, Schulden zu machen. Das hat unter anderem mit der Möglichkeit zu tun, dass einem Kredite heute förmlich hinterher getragen werden, und Verträge mit langen Laufzeiten geschlossen werden. Auch bei den älteren Menschen stellen wir eine höhere Verschuldung fest, weil die Altersarmut zunimmt. Wenn nicht mehr so viel Geld da ist, liegt es natürlich nahe, Schulden zu machen beziehungsweise von einer Verschuldung in einer Überschuldung zu landen”, sagt Schuldnerberaterin Margarethe Meyer.
In der Sozialarbeit begegnet das Thema den Fachkräften immer wieder, egal ob man in der Jugendarbeit, Schulsozialarbeit, Bewährungshilfe oder anderen Feldern beschäftigt ist. “Jeder zweite Haushalt in Deutschland macht Schulden und jeder zehnte Haushalt ist überschuldet”, nennt Margarethe Meyer erschreckende Zahlen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mit einem Menschen zu tun hat, der verschuldet ist, ist also relativ hoch. “Wenn dieses Themenfeld nicht bearbeitet wird, ist es schwierig, sich auf andere Bereich in der sozialen Arbeit zu konzentrieren. Es geht nicht nur darum, Schulden zu regulieren, sondern auch darum, wie man die Existenz der Menschen langfristig sichern kann.”
Prävention ist deshalb ein wichtiger Punkt. Oft ist bei den Schuldnerinnen und Schuldnern zu erkennen, dass das Thema “Umgang mit Geld” weder zuhause noch in der Schule vermittelt wird. Hauptauslöser einer Überschuldung ist nach wie vor die Arbeitslosigkeit. Viele Menschen können eine Verschuldung ausgleichen, indem sie eben arbeiten gehen. Ohne oder mit geringerem Einkommen kommt es oft dazu, dass Verpflichtungen nicht mehr eingehalten werden können und die Menschen in Überschuldung geraten. Daneben gibt es weitere Faktoren: Krankheit, Sucht, Trennung oder Scheidung sind Ursachen, warum Menschen in Schulden geraten können.
In solchen Fällen helfen Schuldnerberater*innen. Mit welchen Mitteln aus ihrem Instrumentenkoffer können Fachkräfte ihre Klientinnen und Klienten unterstützen – wenn das Engagement der Betroffenen stimmt?
Existenzsichernde Maßnahmen
Schuldnerberater*innen versuchen zunächst, das Einkommen der Person zu sichern. Dabei werden Haushalts- und Budgetpläne erstellt und geschaut, ob Einnahmen gesteigert und Ausgaben verringert werden können. Pfändungsgrenzen werden überprüft, um das Einkommen zu sichern. Einnahmen können zum Beispiel erhöht werden, wenn jemand rechtlichen Anspruch auf Zahlungen wie Arbeitslosengeld II hat. Bei den Ausgaben besteht die Möglichkeit, den Krankenkassenbeitrag zu reduzieren, weil die Einnahmen nicht mehr so hoch sind. Das soll dazu führen, dass die Klientinnen und Klienten mindestens einen ausgeglichenen Haushalt haben, um Ausgaben decken zu können, damit im schlimmsten Fall keine Obdachlosigkeit eintritt. Bei anderen Ausgaben aus dem Alltag muss bei den Betroffenen die Einsicht vorhanden sein, dass manche Dinge aktuell nicht gebraucht werden.
Recht
Es gibt zahlreiche rechtliche Fragen, die helfen können, um aus der Schuldenfalle herauszukommen. Was darf eigentlich eine Bank? Wann werden Zinsen fällig? Wie wirkt ein Vertrag? Wann kann ich einen Vertrag widerrufen? Wie komme ich aus einem Vertrag wieder heraus? Wie läuft ein gerichtliches Mahnverfahren ab? Was darf ein*e Gerichtsvollzieher*in? Was kann ich gegen die Kündigung meiner Wohnung tun? Antworten auf solche Fragen sollte ein*e Schuldnerberater*in geben können. Die Grundlagen werden in der Ausbildung im Zertifikatskurs vermittelt. “Wichtig ist, dass die beratende Person weiß, wo sie dieses Werkzeug finden und wie sie entsprechend auf rechtliche Probleme reagieren kann”, sagt Margarethe Meyer, die sich einen bleibenden Austausch zwischen den Teilnehmenden wünscht, damit Wissenstransfer stattfinden kann.
Schuldenregulierung
Die Verbraucherinsolvenz ist ein Schwerpunkt in der Schuldnerberatung: von der ersten Beratung bis zur Restschuldbefreiung. Es kommt stark auf die Verhandlungen zwischen Schuldnerinnen und Schuldnern sowie den Gläubigerinnen und Gläubigern an. Ein Vergleich kann helfen, die Schuldenlast zu verringern. “Viele Menschen in Zahlungsschwierigkeiten zahlen oft jahrelang Raten ab. Nach drei oder vier Jahren stellen sie fest, dass sich an der Forderungshöhe nichts getan hat. Denn Gläubiger/-innen rechnen häufig erst einmal Kosten und Zinsen ab, so dass die Hauptforderung zunächst gar nicht bedient wird. Im Gespräch kann man das ändern”, sagt Margarethe Meyer. Der Regelfall ist, dass die Schuldner*innen zur Selbsthilfe angeleitet werden. Aber gerade bei der Kommunikation zwischen den Parteien kann es helfen, wenn der*die Schuldnerberater*in übernimmt.
ZUR PERSON
Margarethe Meyer ist Diplom-Sozialarbeiterin und Schuldnerberaterin bei der Schuldnerhilfe Essen gGmbH. Sie gibt Seminare und Zertifikatskurse zu den Themen Schuldnerberatung und Schuldenprävention bei der Paritätischen Akademie NRW.
Artikelfoto: Adobe Stock AlterFalter
4 Kommentare
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Schulden! Mein Sohn ist auf der Suche nach einer Stelle für Schuldnerberatung. Die Informationen sind sehr hilfreich. Interessant, dass viele junge Menschen sich verschulden aufgrund der Möglichkeit, dass einem Kredite heute förmlich hinterhergetragen werden, und Verträge mit langen Laufzeiten geschlossen werden.
Hallo, eine Suchmaske für Beratungsstellen (ein Angebot der Schuldnerhilfe Köln) findest du hier: https://www.schuldenhelpline.de/unser-service/seiten/beratungsstellensuche-erklaerung
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Schuldenberatung. Schulden sind immer ein sehr heikles und belastendes Thema. Ich finde es gut, dass bei der Schuldnerberatung den Betroffenen erstmal geholfen wird, das Einkommen zu sichern.
Ich versuche gerade meinem Großvater aus den Schulden herauszukommen. Daher suche ich auch jemanden, der Schuldenberatungen anbietet. Gut zu wissen, dass es auch zahlreiche rechtliche Fragen gibt, die helfen können, aus der Schuldenfalle herauszukommen.