Zusammen vereinen sie rund 60 Jahre Amtszeit im Vorstand der Paritätischen Akademie NRW: Dr. Norbert Friedrich, Lydia Klettke und Brigitte Mangen wurden nun verabschiedet. In ihren zahlreichen Ehrenämtern treten sie seit langer Zeit aktiv für Menschenrechte ein.
Alle drei beschäftigen sich in ihren Ehrenämtern mit verschiedenen Themenfeldern. Der – nun ehemalige – Vorstandsvorsitzende Dr. Norbert Friedrich war und ist unter anderem in den Themen Suchthilfe (Deutscher Guttempler-Orden), Rechtsextremismus (Volkshochschule Monheim) und soziales Wohnen (SPD Monheim) aktiv. Lydia Klettke setzt sich als Geschäftsführerin der Fachstelle für Frauen und Beruf Die Spinnen e.V. für die Rechte von Frauen ein. Brigitte Mangen kommt aus der Kreisgruppe Mülheim des Paritätischen NRW und unterstützt seit langer Zeit unter anderem den Kinderschutzbund und die Deutsche Alzheimergesellschaft durch ihr ehrenamtliches Engagement.
Vielleicht war die Vorstandsarbeit des Trios aufgrund dieser Themenvielfalt stark geprägt von übergreifenden Denkanstößen, respektvollem Umgang und entscheidenden Impulsen. Im Hintergrund und als Basis ihrer Arbeit standen stets die Menschenrechte: Teilhabe an der Gesellschaft für alle zu ermöglichen, ohne von Diskriminierung und Ausschluss betroffen zu sein, war allen gleichermaßen ein Ziel. Im Interview sprechen Dr. Norbert Friedrich, Lydia Klettke und Brigitte Mangen darüber, wie Menschen geholfen werden kann und welche Rolle Bildung dabei spielt.
Frau Mangen, Frau Klettke, Herr Dr. Friedrich – wo sehen Sie in Ihrer Arbeit und in Ihrem ehrenamtlichen Engagement die Verknüpfung zum Thema Menschenrechte?
Brigitte Mangen: Wenn ich sehe, wie oft weder Kinder noch alte Menschen ernst genommen werden, finde ich das schrecklich – die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen ist 70 Jahre alt und wir haben so wenig davon umgesetzt. In meiner Arbeit fangen Menschenrechte bei den Kindern an. Ein Beispiel: Ich sehe nicht ein, warum Kindergartenbeiträge überhaupt existieren und warum sie so hoch sind. Wer soll sich das leisten? Wir predigen kindliche Bildung und lassen es zu, dass unsere Kinder gar nicht die Möglichkeit dazu haben. Wie soll es ein*e Erzieher*in bei Gruppen mit 20 Kindern schaffen, sie auf einen Bildungsstand zu bringen? Das gleiche gilt in Altersheimen und betreutem Wohnen – es gibt zu wenig Personal. Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen nicht abgeschrieben werden, wenn sie alt werden.
Lydia Klettke: In unserem Verein Die Spinnen beschäftigen wir uns in unserer täglichen Arbeit sehr viel mit Frauen mit Migrationshintergrund, deren Lebensbereiche immer wieder beschnitten werden. Sie werden unter anderem aufgrund eines kulturellen Hintergrundes durch männliche Personen in ihrem Umfeld unter Druck gesetzt, wenn sie eine eigene Meinung haben. Hier muss ich immer wieder darauf hinweisen, dass sie in Deutschland frei sind, zu tun, was sie wollen. Wenn Frauen keine eigene Existenzsicherung durch Arbeit haben, ist es für sie außerdem schwieriger, an der Gesellschaft teilzunehmen. Dabei geht es auch ums Selbstwertgefühl. Oft fehlen die schulische und berufliche Ausbildung: Frauen sagen deshalb oft von sich aus „ich will nicht, ich kann nicht, ich darf nicht“. Dort setzen wir an.
Norbert Friedrich: Eine Triebfeder meines Engagements war es immer, zurückzugeben, was andere mir gegeben haben. Wenn man sich die gegenwärtige Situation anschaut, kann einem bei dem wiedererstarkten Rechtsextremismus schon beklemmend werden. In meinen verschiedenen Ämtern erlebe ich zudem, dass man die Frage nach dem Grundrecht auf Wohnen stellen muss. Viele Menschen können keine Miete mehr zahlen. Es besteht mit Mieterhöhungen, hohen Energiepreisen etc. ein ganzes Paket aus Problemen für die Menschen, die in Armut leichter anfällig werden für politisch extreme Tendenzen, da sie sich dadurch eine Verbesserung ihrer Situation versprechen. Deshalb umfasst meine Arbeit alle Generationen. Man muss Altersarmut und Kinderarmut gleichermaßen bekämpfen.
Welche Rolle spielt Bildung für Sie? Welchen Beitrag kann Bildung leisten?
Brigitte Mangen: Bei Kindern ist Bildung das A und O. In letzten Jahren hat es viele Änderungen im Bildungssystem gegeben. Das System sollte man nicht alle paar Jahre ändern und es sollte vereinheitlicht sein. Zugang zu Bildung sollte wie gesagt auch beitragsfrei sein. Zur Bildung von Kindern gehört, dass die Eltern gebildet sind. Auch Eltern, die nicht zur privilegierten Schicht gehören, müssen begreifen, wie wichtig Bildung für Kinder ist. Wenn das Motto “Mein Kind soll es mal besser haben als wir” in allen Elternköpfen angekommen ist, und diese ihre Kinder unterstützen, wäre das ein großer Beitrag zu einem breit aufgestellten Bildungsniveau in der Gesellschaft.
Lydia Klettke: Bildung ist ein existenzielles Bedürfnis von Menschen. Lebenslanges Lernen ist bei uns ein großes Thema. Die Frauen, die uns besuchen, sind entweder gut gebildet und möchten noch mehr lernen, um Zugang zum Arbeitsmarkt zu erhalten und Karriere machen zu können. Durch den Fachkräftemangel werden sie sehr gebraucht. Der Zugang muss aber erleichtert werden: Oft haben die Frauen hohe Schulabschlüsse, die hier aber nichts wert sind, weil sie nicht anerkannt werden. Das ist diskriminierend. Weniger gut gebildete Frauen müssen erst einmal lernen, wie sie sich Zugang zu Bildung verschaffen können. Hier sollte der Zugang zu Bildung so niedrigschwellig wie möglich gemacht werden.
Norbert Friedrich: Bildung spielt in unserer Arbeit eine große Rolle.Bei der Volkshochschule haben wir immer wieder Angebote zum politischen Extremismus organisiert oder selbst durchgeführt, um deutlich zu machen, dass gerade der Rechtsextremismus heute nicht mehr so plump mit Springerstiefeln und Skinheads einher geht. Diese Leute kommen oft in Nadelstreifen daher, tätigen der Oma den Einkauf, und fangen die Menschen auf diese Weise ein. Bildung sollte den Beitrag leisten, deutlich zu machen, was diese Rattenfänger sagen; sie verkleiden tumbe und plumpe rechtsextreme Parolen sprachlich oft sehr geschickt. Auf so etwas muss Bildung aufmerksam machen; aber nicht von oben herab, sondern als Partner auf dem gemeinsamen Weg
Mensch, du hast Recht
Mit der Kampagne “Mensch, du hast Recht” möchte der Paritätische Gesamtverband die Menschenrechte in gesellschaftlich aufgebrachten Zeiten ins Bewusstsein bringen. In diesem Blog werden begleitend im Laufe des Jahres mehrere Artikel zum Thema Menschenrechte erscheinen – gesammelt unter dem Stichwort „Fokus“.
Gibt es Beispiele, an denen Sie festmachen können, dass Bildung in solchen Prozessen etwas bewegen kann?
Brigitte Mangen: Zum Beispiel wenn der Kinderschutzbund traditionsgemäß gezielte Hausaufgabenbetreuung durch ausschließlich Ehrenamtliche an den Ganztagsschulen anbietet. Wir sind dort an vielen Schulen aktiv und bieten Einzelunterricht an. Durch dieses gezielte Lernen sind schon viele Kinder in ihrem Leben weitergekommen.
Lydia Klettke: Ohne Sprachkenntnisse ist es ein großes Problem, in unserer Gesellschaft anzukommen, gehört zu werden und die Strukturen in Deutschland zu begreifen. Hier fängt Bildung auf einem niedrigschwelligen Niveau an. In unserer täglichen Arbeit ist es uns daher besonders wichtig, den Frauen die Bedeutsamkeit zu übermitteln, wie wichtig Sprache ist, damit sie für sich und ihre Kinder am täglichen Leben teilnehmen können. Kinder erlernen eine neue Sprache schnell und werden deshalb oftmals als Dolmetscher*innen für ihre Eltern benutzt. Sie hören dort Dinge, die nicht immer für Kinderohren bestimmt sind.
Norbert Friedrich: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Grundsätzliche Dinge wie Sprachkenntnisse und Alphabetisierung können schon entscheidend sein. Ich war zum Beispiel zuständig für Sprach- und Integrationskurse für Migrant*innen. Viele Menschen haben die Prüfungen absolviert und konnten ihren Weg mit beruflichen Ausbildungen weitergehen. Schon in den 80er Jahren haben wir Alphabetisierungskurse für Erwachsene gegeben. Bildung fängt ja schon dabei an, dass es einen zu hohen Anteil an Analphabeten gibt. Das sind ja keine dummen Menschen – man muss sie in die Lage versetzen, dass sie sich mit gewissen Dingen auseinander setzen können. Sonst bleiben sie oft auf der Strecke.
Zu den Gesprächspartnern
Dr. Norbert Friedrich Ehemaliger stv. Leiter der Volkshochschule Monheim. Vorsitzender der SPD Monheim; Vorsitzender Mieterbund Monheim-Langenfeld; ehemaliger AWO-Vorsitzender Meerbusch-Büderich. Seit 2008 Träger des Bundesverdienstkreuzes für zahlreiche ehrenamtliche Tätigkeiten: Vorstandsmitglied des Monheimer Stadtverbands der überparteilichen Europa-Union, Mitbegründer einer ungebundenen Selbsthilfegruppe für Alkohol- und Medikamentenabhängige und deren Angehörige, Engagement gegen Rechtsextremismus.
Brigitte Mangen Vorsitz der Kreisgruppe Mülheim des Paritätischen, stv. Sprecherin Ehrenrat Paritätischer LV NRW, Ehrenmitglied Landesvorstand Kinderschutzbund, Vorstand Alzheimergesellschaft, Vorstand Paritätische Initiative für Arbeit, Kuratorium ginko Suchtprophylaxestelle. 15 Jahre lang im Sozialausschuss des Landschaftsverband Rheinland tätig.
Lydia Klettke Geschäftsführerin von Die Spinnen e.V., Fachstelle für Frauen und Beruf; dort einerseits Beraterin in der Erwerbslosenberatungsstelle und andererseits soziale Beratung für die Stadt Essen. Engagiert für Frauenrecht in den Netzwerken Bundesarbeitsgemeinschaft Frauen und Arbeit und FrauenMädchenNetzNRW.
Artikelfoto (von links): Dr. Norbert Friedrich, Lydia Klettke, Moderator Bernd Hoeber (Paritätische Akademie NRW) und Brigitte Mangen. Foto: Redaktion
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