Der IKE Remscheid ist eigentlich ein kleiner Verein. Dafür leistet er im interkulturellen Bereich Großes: Neben der eigenen Kita organisiert er Sprach- und Frauenbildungskurse, eine Sport- und Kunstgruppe für Kinder von Geflüchteten und interkulturelle Lesereihen.
Es wird viel gestrahlt an diesem Tag Mitte Mai. Mehr als 100 Frauen bekommen vom IKE Remscheid ihre Zertifikate, nachdem sie ein Schuljahr lang bei Sprach- und Frauenbildungskursen mitgemacht haben. Sie stammen aus verschiedenen Ländern und haben in den Kursen ihre Kompetenz zur Erziehung gestärkt und ihr Deutsch verbessert. „Es war schön zu sehen, wie viel Selbstbewusstsein die Frauen durch die Verleihung des Zertifikats getankt haben“, sagt Michaela Pappas, Geschäftsführerin vom IKE Remscheid.
Diese und viele weitere Veranstaltungen werden von der Paritätischen Akademie NRW mit dem IKE Remscheid geplant und durchgeführt. In enger Kooperation werden die Themen und Bedarfe der Teilnehmenden abgestimmt. Der IKE Remscheid ist im Stadtteil gut verortet und hat dadurch ideale Zugänge für Menschen im Quartier, um Neugier und Interesse an Bildungsangeboten zu wecken – was der Leitgedanke des Bildungsnetz Parität ist.
Mit vollem Namen heißt der IKE „Förderverein für Interkulturelle Erziehung e. V.“ – Ende September feierte er 25-jähriges Jubiläum. Michaela Pappas ist seit etwas mehr als zwei Jahren Geschäftsführerin des Vereins und übernimmt einen Großteil der Netzwerkarbeit und Organisation. Vorsitzende ist Erden Ankay-Nachtwein, die gleichzeitig dem Remscheider Integrationsrat vorsitzt und im Vorstand der Kreisgruppe Remscheid des Paritätischen mitwirkt. Obwohl der IKE nur eine scheinbar geringe Zahl von rund fünf aktiven Mitstreiter*innen bei 45 Mitgliedern hat, wird eine Menge bewirkt.
Der Bedarf ist groß
Die eingangs erwähnten Eltern-/Frauenbildungskurse sind hauptsächlich an Migrantinnen mit Kindern gerichtet. Sie laufen über ein komplettes Schuljahr. „Mit diesen Kursen verfolgen wir verschiedene Ziele. Es ist ein Anliegen der Kitas und Schulen, die Mütter in die Gesellschaft einzubinden, ihnen das deutsche Bildungssystem näherzubringen. „Parallel dazu sind die Kurse wichtig für die Sprachförderung, da sie zweisprachig stattfinden“, sagt Michaela Pappas. Aktuell finden in diesem Jahr elf Elternbildungskurse statt, an sieben Kitas und zwei Grundschulen. Insgesamt nehmen 120 Frauen teil. „Der Bedarf ist noch größer“, sagt Michaela Pappas, „Anfragen dazu bekommen wir auch von anderen Kitas und Grundschulen in Remscheid.“ Im kommenden Schuljahr sollen eine weitere Kita und zwei Grundschulen hinzukommen. Die Teilnahme an den Kursen kann als Nachweis des Integrationsprozesses beim Ausländeramt vorgelegt werden. Hauptsächlich sollen sie laut Michaela Pappas aber das Selbstwertgefühl, die Teilhabe an der Gesellschaft in Deutschland und damit die Kinder fördern.
Die Kursleiter*innen sind oft selbst eingewandert. Manche waren sogar früher einmal als Teilnehmende in einem der Kurse des IKE und haben sich später dazu entschlossen, selbst Kursleiter*in zu werden. Das ist ein besonders großer Ansporn für die Teilnehmenden, in die Fußstapfen ihrer Vorgängerinnen zu treten. Die Kursleiter*innen der Sprachkurse sind häufig ehemalige Lehrer*innen oder auch freiberuflich Unterrichtende. Nach dem Motto „gute Leistung muss bezahlt werden“ bekommen alle leitenden Personen Geld für ihre Arbeit.
Engagement hilft Menschen vor Ort
Bei den Kursen an Kitas und Schulen arbeitet der IKE eng mit dem Kommunalen Integrationszentrum der Stadt Remscheid zusammen. Ein weiterer Kooperationspartner ist das Stadtteilbüro Rosenhügel, in dem mehrere unterschiedliche Sprachkurse angeboten werden – zum Beispiel ein Alphabetisierungskurs für ältere Migrantinnen. Beim „Bildungscafé“ werden bei einem Tee oder Kaffee Fragen des Alltags behandelt. Zu diesen Gelegenheiten haben die Frauen die Möglichkeit, sich zu treffen, aus dem heimischen, gewohnten Umfeld herauszukommen und ihre neue Umgebung besser kennen zu lernen. Auch ein Sprachkurs für Fortgeschrittene, die schnell an ein offizielles A1-Zertifikat kommen wollen, findet dort statt.
Es ist wichtige Arbeit, die den Menschen vor Ort hilft. Im Stadtviertel hat laut Michaela Pappas fast die Hälfte der Menschen einen Migrationshintergrund. Im Rosenhügel steht auch die Interkulturelle Kindertagesstätte und Familienzentrum Confetti, die dem Verein angehört. Die Erzieherinnen dort arbeiten fast alle mehrsprachig, natürlich gibt es dort auch Frauenbildungskurse für die Mütter der Kinder. Außerdem veranstaltet der Verein noch einen Deutschkurs in einem Flüchtlingsheim, eine interkulturelle Vorlesereihe, Schüler-Förderprojekte an zwei Remscheider Gymnasien und eine Art Ersatzkindertagesstätte für Flüchtlingskinder ohne Kindertagesstättenplatz. Dort werden sie dreimal pro Woche von Sport- und Kunststudenten sportlich und künstlerisch angeleitet und sammeln so ihre ersten spielerischen und sprachlichen Erfahrungen in der neuen Heimat.
Wie erreicht der IKE Remscheid die Teilnehmenden?
„Es geht eigentlich um zwei Dinge: Netzwerken und persönliche Ansprache“, sagt Michaela Pappas. Man müsse versuchen, die bestehenden Kontakte zu pflegen sowie seine Augen und Ohren offen halten, um neue Kooperationen knüpfen zu können. Alles müsse man aber nicht mitmachen. „Man muss abwägen, was einen weiterbringt, oder ob man sich mit einem neuen Projekt zu viel Arbeit macht. Sonst binden neue Aufgaben zu viel Kraft. Aufwand und Bürokratie sind vielleicht nicht mehr zu stemmen, und das wäre schade“, sagt Michaela Pappas.
Die persönliche Ansprache an die Teilnehmenden müsse nicht durch die Geschäftsführung und den Vorstand des Vereins stattfinden. In den meisten Fällen machen das die Kursleitungen. „Viele sind mit den Kitas oder Schulen verbunden – entweder hatten sie dort ein Kind, oder haben noch eins an der Einrichtung“, sagt Michaela Pappas. Vor dem Start sorgen die Verantwortlichen selbst dafür, die Kurse bekannt zu machen, per Infotisch oder direkter Ansprache. Das Gefühl der Zugehörigkeit zu den Leiter*innen ist ein großer Vorteil, denn die angesprochenen Eltern können sich mit ihnen identifizieren. Auch die Leitungen der Kitas und Schulen sind interessiert, die Kurse publik zu machen, und streuen die Info an die Eltern.
Es gehört viel mehr dazu, in einem Land heimisch zu werden, als nur die Sprache zu sprechen.“
Selbst bei einem Vorzeigeverein klappen aber auch nicht immer alle Projekte, sagt Michaela Pappas. Immer mal wieder gebe es auch Einbrüche bei den Teilnahmezahlen der Kurse. Dann werde kritisch hinterfragt und analysiert, woran das liegt. „Müssen wir etwas an den Inhalten ändern? Sind es soziale oder politische Gründe? Das müssen wir dann erfragen“, sagt die Geschäftsführerin. Probleme, die zu lösen sind – erst recht bei dem großen Anreiz für die Beteiligten, die viel persönlichen Einsatz einbringen. „Die Aufgabe macht mir einfach Spaß“, sagt Michaela Pappas, und lacht herzlich über ihre spontane erste Antwort auf die Frage, warum sie ihre Arbeit gerne ausübt.
Ursprünglich hatte sie sich um die Stelle bemüht, weil sie selbst zehn Jahre lang in Griechenland gelebt hat. „Dort habe ich gemerkt, dass viel mehr dazu gehört, als eine Sprache zu sprechen, wenn man in einem Land heimisch werden möchte. Es müssen nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur und die Strukturen vermittelt werden. Die Menschen müssen dafür ein Verständnis entwickeln, damit sie zurechtkommen. Und wenn wir den Eltern helfen, helfen wir auch den Kindern. Die Ernte dieser Arbeit fahren wir nicht sofort ein, aber in der Zukunft“, sagt sie. Genau das möchte sie mit dem IKE Remscheid leisten – damit nach dem laufenden Schuljahr wieder viele Teilnehmende über ihr Zertifikat strahlen können.
Bildungsnetz Parität
Der IKE Remscheid ist Mitglied im Bildungsnetz Parität. Im Bildungsnetz bieten die Paritätische Akademie NRW und die Paritätische Akademie NRW – Familienbildung gemeinsam mit rund 200 Mitgliedsorganisationen des Paritätischen NRW jährlich mehr als 2000 Weiterbildungsveranstaltungen an – vom Sprachkurs bis zu “Gut durch das erste Lebensjahr” . Die Akteure im Bildungsnetz agieren vor Ort und genießen daher das Vertrauen der Zielgruppe. Bildung wird dadurch für alle zugänglich.
Artikelfoto: © Redaktion
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