Videokonferenzen können echte Killer sein, was die emotionale Verbindung zu den Mitmenschen angeht. Das liegt unter anderem an einer zeitversetzten Übertragung. Kommunikationstrainerin Sabina Köster rät: “Es ist wichtig, die Tücken der Online Kommunikation zu kennen und die Webcam als Verbündete zu gewinnen.”
Sabina Köster identifiziert drei Probleme, weshalb es nicht so einfach ist, sich in Videokonferenzen zu verständigen. Erstens: Trotz guter Verbindungsqualität kommunizieren wir nicht im gleichen Wahrnehmungsraum – die Übertragung von Bild und Ton ist in der Regel zeitversetzt. Körpersprachliche Signale können wir deshalb nicht richtig zuordnen. Zweitens: Oft wissen wir nicht, worauf sich die Signale beziehen. Ein Beispiel: In einem Präsenzseminar verdreht jemand die Augen. Diese Person ist dann höchstwahrscheinlich kritisch eingestellt. In einer Videokonferenz können sich die Augen aber auch auf andere Reize im Raum beziehen; zum Beispiel auf den fünfjährigen Sohn, der gerade an der Tischdecke reißt und droht, die Frühstücksreste vom Tisch zu befördern. Drittens: Viele körpersprachliche Signale, die wichtig für die Kommunikation sind, können unter Umständen nicht richtig wahrgenommen werden, weil die Bildausschnitte viel zu klein sind.
Sabina Köster stellt euch ein Gesamtpaket an Tipps zur Verfügung, damit die Kommunikation in der Videokonferenz gut gelingt. Wer als Dozent*in mit den folgenden Tipps arbeitet, kann in seinen Videokonferenzen schnell positive Ergebnisse in der Kommunikation mit seinen Teilnehmer*innen erzielen.
Besser im Stehen sprechen
Wenn du über einen Stehschreibtisch verfügst, solltest du diesen auch bei Videokonferenzen dringend benutzen, sagt Sabina Köster. Am besten mit einer externen Webcam und einem Headset. Dann hast du mehr Freiraum für deine Körpersprache und kannst deine Zuschauer*innen fesseln. Das Gegenbeispiel ist die Videokonferenz am Laptop, hier wird der Bewegungsradius enorm eingeschränkt.
Bildausschnitt wählen
Damit Gesten und ihre Ausstrahlung auch bei den Teilnehmer*innen ankommen, ist es sinnvoll, die Kamera auf einen möglichst großen Bildausschnitt einzustellen. “Handeln kommt von Hand. Wenn ich die Hände der sprechenden Person nicht sehe, nehme ich ihr auch nicht ab, dass sie ins Handeln kommt”, sagt Sabina Köster. Das zweidimensionale Format kann außerdem ermüden. Wer mit den Abständen zur Kamera spielt oder auch eine zweite Webcam benutzt, kann seinen Vortrag lebendiger gestalten. Für die Teilnehmer*innen wird es weniger langweilig.
Gib die Hände frei
In Präsenzveranstaltungen klammern sich viele Menschen zu Beginn förmlich an ihr Rednerpult. Dadurch setzen sie einen sehr kleinen Rahmen für die folgende Gestik. Da wir jetzt wissen, dass die Gestik mitentscheidend für die Lebendigkeit des Vortrags ist, sollten die Hände einen großen Raum bekommen. In der Videokonferenz gibst du deine Hände frei, indem du nicht die Maus umfasst oder die Hände in den Hosentaschen vergräbst, sondern locker und offen lässt und möglichst von Beginn an mindestens auf Bauchhöhe hältst. Sind die Hände einmal freigelassen, wird die Gestik zum Selbstläufer.
Menschen aus der Anonymität locken
“Studien zeigen: Gesprächspartner*innen, die gleich zu Beginn einer Veranstaltung ins Reden kommen, beteiligen sich auch im Verlauf deutlich mehr an der Diskussion. Sonst versinken sie leicht in der Anonymität”, sagt Sabina Köster. Deshalb sind Austauschrunden zu Beginn oder einfacher Smalltalk, bei dem man Gemeinsamkeiten aufspüren kann, sehr wichtig für das Gruppenklima.
Nach dem Befinden fragen
“Wenn ich eine gute Verbindung zu meinen Gesprächspartner*innen in Videokonferenzen aufbauen möchte, sollte ich Stimmungen und Gefühle immer wieder sprachlich er- und hinterfragen”, sagt Sabina Köster. Ein kurzes “Sie wirken müde, brauchen Sie eine Pause?” zeigt, dass du dich mit den Teilnehmer*innen beschäftigst und Bedürfnisse ernst nimmst.
Ruhigere Teilnehmer*innen aktivieren
Noch stärker als in Präsenzveranstaltungen halten sich bei Videokonferenzen die ruhigen, introvertierten Gesprächspartner*innen zurück. Deine Moderation sollte deshalb auffordernd und konkret sein, am besten durch direkte Ansprache der Teilnehmer*innen, ohne sie zu überfordern – optimalerweise von Anfang an.
Den Chat nutzen
In den Videokonferenzen gibt es eine weitere Dimension: Den Online-Chat. Hier können Teilnehmer*innen sich äußern, ohne den Fluss zu stören. Die Mitteilungen solltest du unbedingt aufgreifen. Vielleicht kannst du eine zweite Person gewinnen, die während der Veranstaltung den Chat “scannt” und Mitteilungen einbringt. Die bereits angesprochenen introvertierten Teilnehmer*innen, die sich vermehrt im Chat statt per Wortmeldung äußern, profitieren sehr häufig davon.
Die Kamera frisst Energie
Auch wenn du schon sehr leidenschaftlich in deinen digitalen Meetings unterwegs bist, macht es Sinn, noch einen Tick draufzulegen. Denn durch die Kamera geht leider auf der anderen Seite ein Teil deiner Energie und Dynamik verloren. Um dich vorzubereiten, kannst du auf einen Trick aus dem Erfahrungsschatz von Schauspieler*innen zurückgreifen. “Wenn Schauspieler*innen bestimmte Emotionen auf die Leinwand bringen wollen, überlegen sie sich, wo ihnen diese Gefühle schon einmal begegnet sind. Dann begeben sie sich mental in diese Situation”, sagt Sabina Köster. Wenn du zum Beispiel in einer Gesprächssituation erfolgreich warst, kannst du dich für die nächste trainieren, indem du dich in den Erfolgsmodus versetzt.
Zur Person
Sabina Köster ist Expertin für Körpersprache und Kommunikation. Die Diplom-Pädagogin arbeitet als Trainerin und systemischer Business Coach. “Gelungene Kommunikation ohne einen gelungenen Auftritt gibt es nicht”, sagt sie. Ihr Ziel ist es, dass Menschen ihre Kommunikation wirkungsvoller gestalten können. Bei der Paritätischen Akademie NRW gibt sie Seminare zum Thema.
Artikelfoto: Adobe Stock/gstockstudio
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