Kann man einen recht sperrigen Text wie die UN-Menschenrechtserklärung singen? Wie klingt das? Und welche Aufmerksamkeit für das Thema kann man erzeugen? Die Paritätische Akademie NRW hat das mit ihrem Kooperationspartner die börse Wuppertal ausprobiert – mit dem Menschenrechte-Chor, der durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft gefördert wird.
Wie es sich anhört, wenn zehn Sängerinnen und Sänger auf der Bühne die Menschenrechte als Chor zum besten geben? “Es klingt sehr bewegend. Schließlich werden in der Erklärung Wünsche ausgedrückt, wie die Menschen behandelt werden sollen. Es wird eingefordert, was vielfach noch nicht umgesetzt ist”, sagt Projektleiterin Karin Böke vom Kommunikationszentrum die börse Wuppertal. Menschenrechte sind auch im Jahr 2019 vielerorts immer noch nicht selbstverständlich oder werden bewusst verletzt. Entsprechend ist die Aufführung des Chors aufgebaut: In selbstgeschriebenen Texten zwischen den Liedern herrscht ein Wechselspiel zwischen dem, was wünschenswert wäre, und der oft traurigen Realität.
“Als das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW im Herbst 2018 einen Aufruf für Pilotprojekte im Bereich Kultur und Weiterbildung startete, war uns direkt klar, dass wir uns hier aktiv einbringen möchten”, sagt Projektkoordinatorin Bernadette Kottsieper von der Paritätischen Akademie NRW. Denn kulturelle Bildung ist im Kern schöpferisch und zukunftsorientiert. Unter den Vorzeichen der neuen und sich beschleunigenden gesellschaftlichen Herausforderungen und des globalen Wandels ist die Bedeutung der kulturellen Weiterbildung für die Menschen wichtiger denn je.
Kulturelle Bildung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Erwachsenenbildung, die sich auch mit gesellschaftspolitischen Fragen auseinandersetzt und Lern- und Veränderungsprozesse anstößt. Mit der börse Wuppertal wurde ein Kooperationspartner für das Pilotprojekt gefunden, der diesen Gedanken exzellent aufgenommen und in aller Kürze der Vorbereitungszeit umgesetzt hat. “Die Premiere hat mich absolut beeindruckt – denn wir konnten sehen, wie sich die jungen Menschen einerseits künstlerisch entwickelt haben und andererseits sogar teils fremdsprachlich ihre politischen Haltungen und Fragestellungen formulieren konnten”, sagt Bernadette Kottsieper.
„Sing Human Rights“
Der Menschenrechte-Chor ist ein Projekt der Paritätischen Akademie NRW in Kooperation mit der börse Wuppertal. Es ist gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW und gilt als Pilotprojekt im Bereich Kultur und Weiterbildung.
Der Paritätische Gesamtverband hat im Jahr 2018 unter dem Motto “Mensch, du hast Recht” den Themenschwerpunkt “Menschenrechte” eingeführt.
Gesungen werden können die Texte also, und Aufmerksamkeit hat das Projekt unter dem Namen „Sing Human Rights – der Menschenrechte-Chor“ ebenfalls bekommen. Überrascht wurden die Initiatoren nicht nur von mehr als 120 Gästen bei der Premiere. Auch die Zusammenarbeit der Teilnehmenden des Chors erwies sich als sehr fruchtbar. Bei der Premiere standen zehn Sänger*innen auf der Bühne. Das Pilotprojekt musste aufgrund der Fördermaßgaben des Landes NRW innerhalb kürzester Zeit realisiert werden: Nur von Januar bis April stand Zeit dafür zur Verfügung. “Wir mussten uns überlegen, was für ein Projekt innerhalb weniger Wochen realisierbar und wirkungsvoll sein könnte. Wir wollten junge Menschen durch die Musik auf das Thema Menschenrechte aufmerksam machen”, sagt Karin Böke. Das Alter der Teilnehmenden war im Sinne der Förderung auf 16 bis 27 Jahre begrenzt.
Die meisten hatten kaum Bühnen- oder Chorerfahrung. Ein Fall für die Sängerin Anna Luca Mohrhenn, die als Chorleiterin die musikalischen Fäden in der Hand hielt. Die Wechselwirkung zwischen Kultur, Politik und Sozialem zeigt sich im Menschenrechte-Chor besonders. Vermeintlich sperrige Themen wie die UN-Menschenrechtserklärung können durch kulturelle Ansätze sehr gut vermittelt werden. Zudem wurden Teilnehmende, deren Antrieb sich zunächst eher aus Interesse an den Menschenrechten formte, durch das Projekt auch zum Chorsingen gebracht. Und das mit viel Herzblut. Es wurden nicht nur fertige Kompositionen von Axel Christian Schullz verwendet, sondern auch zwei Eigenkompositionen gesungen – eine davon von Anna Luca Mohrhenn, die andere entstand als Gemeinschaftswerk aller Teilnehmenden.
Um die Texte wurde innerhalb der Gruppe viel diskutiert. Was bedeuten die Rechte im Einzelnen für unterschiedliche Menschen und wie sind sie auszulegen? Wie weit reicht ein einzelnes Recht, wie zum Beispiel die Meinungsfreiheit? “Wir sind am Ende zu dem Schluss gekommen, dass Streiten und Diskutieren in der Gesellschaft in Ordnung ist, solange man sich gegenseitig respektiert, akzeptiert und toleriert”, sagt Projektmitarbeiter Lothar Jessen. Der Menschenrechte-Chor soll auch nach dem Ende der Förderung existieren und für alle Altersstufen geöffnet werden – um weiterhin mit Hilfe der Musik auf die Menschenrechte aufmerksam zu machen. “Wenn Millionen Menschen gezwungen sind, in andere Länder zu flüchten, und sich Weltreligionen in ein nahezu kriegerisches Verhältnis zueinander begeben, ist die Rückbesinnung auf ein gemeinsames ethisches Papier wie die UN-Menschenrechtserklärung eine Chance. Vor 70 Jahren haben es die Vereinten Nationen geschafft, sich auf diese Aussagen zu einigen. Das sollte uns heute als Basis auch wieder gelingen”, sagt Lukas Hegemann, Geschäftsführer der börse.
Auftritte des Chors
26. Mai 2019 – Nachbarschaftsfest der börse – “Wir sind Europa”
4. Juni 2019 – Eröffnung der Ausstellung von Amnesty International zur Geschichte der Menschenrechte im Wuppertaler Rathaus Barmen
Artikelfoto: die börse Wuppertal
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