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Mobiles Arbeiten: “Es geht um Ergebnisse, nicht um Arbeitszeit”

2. April 2020

Durch die Coronakrise arbeiten aktuell viele Menschen von zuhause. Martin Uhl ist Coach für Führungskräfte und schätzt sein Homeoffice sehr. Im Interview spricht er darüber, wie Führungskräfte klare Kommunikation, emotionale Bindung und Spaß in Teams erhalten können.

Herr Uhl, auf welche Arten und Weisen können Menschen von zuhause arbeiten?

Wir unterscheiden hauptsächlich das mobile Arbeiten und das Homeoffice. Mobiles Arbeiten beschreibt einfach das Arbeiten von überall außer vom normalen Arbeitsplatz im Unternehmen. Es unterscheidet sich vom Homeoffice insofern, als dass für das Homeoffice bzw. die Telearbeit gesetzliche Pflichten und Rechte für beide Seiten klar geregelt sind. Hier muss zum Beispiel der häusliche Arbeitsplatz ausgestaltet und von den Arbeitgeber*innen überprüft werden. Durch das Coronavirus haben wir aktuell eine Phase, in der nicht alles in einer reglementierten Form stattfinden kann, sondern viele einfach mobil von zuhause aus arbeiten.

Welchen Rahmen braucht es dafür?

Damit alles reibungslos funktioniert, sollte man überprüfen, ob der eigene Wohnraum geeignet ist. Gibt es einen Platz, an dem ich ruhig und konzentriert arbeiten, telefonieren, vertrauliche Dinge besprechen kann? In der aktuellen Situation wird das natürlich niedrigschwellig ausgelegt. Für einen langfristig ausgerichteten Homeoffice-Platz gelten andere Regeln. Ich selbst arbeite seit acht Jahren im Homeoffice und kann sagen, dass es schon ein paar Fallstricke gibt. Ich habe auch mal mit der Arbeitsnische im Wohnzimmer angefangen. Mit der Zeit stellt man dann fest, dass ein eigener Raum am besten auf einer anderen Etage wie der Lebensmittelpunkt der Familie doch erhebliche Vorteile mit sich bringt, auch wenn dafür natürlich Raum genutzt wird, der dann als Wohnraum im engeren Sinne wegfällt.

Je mehr man vorab plant, umso leichter gelingt der Einstieg – zum Beispiel im Bezug auf das familiäre Zusammenleben, wenn Kita und Schule wie zurzeit geschlossen sind. Mobiles Arbeiten sollte keine Umschreibung für den Satz sein, “die*der ist jetzt zuhause und betreut die Kinder”. Mit Hilfe eines Wochenplans muss genau geregelt werden, wer wann die Kinder betreut und wieviel Zeit zum Arbeiten dann realistisch noch zur Verfügung steht. Trotzdem erhöht Arbeit von zuhause natürlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – alleine durch den Zeitgewinn bei der wegfallenden Fahrt ins Büro.

Martin Uhl. Foto: privat

Was ist für Führungskräfte anders, wenn sie ein „virtuelles Team“ im mobilen Arbeiten leiten?

Führungskräfte sollten aus ihrer Fürsorgepflicht heraus die Basis des Arbeitens von zuhause kennen. Im geregelten Homeoffice bzw. Telearbeit nach der Arbeitsstättenverordnung ist zum Beispiel das  Arbeitsschutzgesetz nach wie vor gültig. Arbeitszeitregelungen und Pausenzeiten gelten wie bisher. Es ist durchaus eine Führungsaufgabe, die Grundlagen des mobilen Arbeitens mit den Mitarbeitenden zu besprechen und sie sinnvoll zu beraten, wie sie*er sich sinnvoll einen mobilen Arbeitsplatz einrichten kann. Die Basis muss stimmen, sonst kann die*der Mitarbeiter*in nur schwer die erwartete Leistung erbringen. 

Ein gravierender Unterschied ist sicherlich die Zeiterfassung. Zu “stempeln” macht im Homeoffice weniger Sinn. Immer mehr Unternehmen sind schon den Schritt in Richtung Vertrauensarbeitszeit gegangen. Es sollte aus meiner Sicht im mobilen Arbeiten nicht darum gehen, Zeit abzusitzen, sondern Ergebnisse zu liefern. Führungskräfte sollten deshalb klar und realistisch definieren, welche Ergebnisse sie erwarten. Sie sollten nicht die Arbeitszeit überprüfen, sondern die Ergebnisse. Die Mitarbeitenden können natürlich trotzdem Zeiten dokumentieren. Das kann auch aus Gründen des Selbstschutzes durchaus Sinn machen.

Ist die Kommunikation anders als im Büro?

Natürlich brauche ich andere Arten der Kommunikation. Im Büro laufe ich mir zwangsläufig über den Weg oder kann Meetings ad hoc einberufen. Wenn Mitarbeitende zuhause arbeiten, sind verschiedene Arten der Kommunikation wichtig: sowohl in den Teams, als auch mit der*dem Einzelnen. Dabei sollte es zum einen über inhaltliche Fragestellungen gehen, aber auch um die Reflektion, wie es den Mitarbeitenden im mobilen Arbeiten ergeht und ob weitere Unterstützung der*des Mitarbeitenden nötig ist. Auch die emotionale Seite ist zu berücksichtigen, wenn die Mitarbeitenden vom Team getrennt sind. 

Welcher Rahmen ist für die Kommunikation sinnvoll?

Ich empfehle einmal pro Woche ein größeres virtuelles Teammeeting von anderthalb bis zwei Stunden, sowie täglich eine kleine Einheit von circa einer halben Stunde. Außerdem sollte mit jedem Mitarbeitenden wöchentlich eine viertel- bis halbstündiges  Einzelgespräch geführt werden. Bei weiteren inhaltlichen Themen kann die Kommunikation sachbezogen über andere digitale Wege erfolgen, wie E-Mails, Chats oder individuelle Video-Meetings. 

Was kann passieren, wenn dieser Rahmen nicht eingehalten wird?

Die Herausforderung ist, dass ich als Führungskraft weniger vom Mitarbeitenden mitbekomme – zum Beispiel in welcher Stimmung und Motivationslage sie*er sich befindet oder welche Bedürfnisse sie*er aktuell hat. Die Kommunikation muss viel expliziter sein, da die Körpersprache als Hinweisgeber weitestgehend fehlt. Hier muss gezielt nachgefragt werden. Gerade im Homeoffice sind die Mitarbeitenden verstärkt auch gesundheitlichen bzw. psychischen Belastungen ausgesetzt. Weniger sozialer Kontakt, weniger Bewegung, gegebenenfalls ungesünderes Essen oder zunehmender Alkoholkonsum, können sich schnell zu einem Teufelskreis entwickeln. Hier ist es wichtig, den Kontakt zu halten und freiwillige Angebote zu machen. Ein Laufwettbewerb, Austausch von Rezepten oder Buchempfehlungen können beispielsweise helfen den Teamspirit aufrechtzuerhalten. Da fällt jedem Team etwas anderes ein.

Wie hält man denn eine soziale Verbindung aufrecht, wenn man sich maximal per Bildschirm sieht? 

Eine gute Idee ist es bewusst informelle Kommunikationskanäle zu schaffen. Zum Beispiel eine Chat-Gruppe zu gründen, in der auch mal “Spökes” gemacht werden kann. Das sollte jetzt nicht durcheinander gehen zwischen Spaß und Arbeitsinhalten. Aber Kanäle zu schaffen, um in so einer Situation gemeinsam Spaß zu haben, halte ich für sehr wichtig. Das Miteinander im Unternehmen lebt ja auch von informeller Kommunikation. 

Zur Person

Martin Uhl beschäftigt sich als Coach bereits seit Jahren mit der Gestaltung von Online-Lernangeboten und sieht in der aktuellen Corona-Krise auch “eine Chance, die Themen digitale Arbeit und Weiterbildung auszubauen”. Er gibt Seminare und Blended-learning-Formate im Fachbereich Management bei der Paritätischen Akademie NRW, aktuell ein Webinar zum Thema “Teams im Homeoffice/Mobile Office führen”. 2015 und 2016 wurde er mit dem Europäischen Preis für Training, Beratung & Coaching in Bronze ausgezeichnet.


Wie kann ich das Team emotional motivieren? 

Ich halte Einzelgespräche in diesem Punkt für extrem wichtig. Sie sollten wöchentlich durchgeführt werden, damit ich als Führungskraft mitbekomme, wo ein*e Mitarbeiter*in gerade steht. In diesen Gesprächen ist es ebenfalls nicht verboten, gemeinsam Spaß zu haben, positiv miteinander umzugehen und Emotionen über die Stimme zu transportieren. Für die Führungskraft kostet das relativ viel Zeit, aber es lohnt sich.

Die Kommunikation zu den Mitarbeitenden kann man als Führungskraft steuern. Wie sieht es bei der Kommunikation unter den Mitarbeitenden eines Teams aus?

Das geht über die großen täglichen und wöchentlichen Meetings. Hier sollte man beachten, die Agenda gemeinsam zu füllen, damit die für die Mitarbeiter*innen wichtige Themen besprochen werden können. Teams oder Arbeitsgruppen tauschen sich arbeitstechnisch weiterhin miteinander aus – es ist zum Beispiel denkbar, dass Mitarbeiter*innen auch mal einen halben Tag über einen geteilten Bildschirm an einer Sache gemeinsam arbeiten. Das kommt immer auf die Aufgabenstellung an.

Was waren für Sie positive, prägende Erfahrungen aus Ihrem eigenen Homeoffice?

Mir kommt die emotionale Distanz zu Themen und Personen in meinem Homeoffice zugute, weil mir das eine große Unabhängigkeit in meinen Entscheidungen verschafft. Für meine Produktivität ist das sehr hilfreich. Ein anderes Beispiel ist es, in der Mittagspause mal eine Stunde in den Garten zu gehen und den Rasen zu mähen. Körperliche Bewegung und Abschalten in der Natur regt bei mir ungeheuer die Kreativität an. Ich sehe durch die Flexibilität des Homeoffice ein riesiges Potenzial, was Produktivität und Ideenfindung angeht. 

Artikelfoto: © shintartanya_Adobe Stock

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