Im DIALOG Praxisnetzwerk finden Akteur*innen der Weiterbildung Raum zum Austausch. Das wünscht sich Peter Brandt vom Initiator, dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE). Warum die Paritätische Akademie NRW mitmacht, verrät Geschäftsführerin Bärbel Gebert.
Herr Brandt, das neu gegründete DIALOG Praxisnetzwerk ist deutschlandweit aktiv. Was steckt hinter diesem Netzwerk?
Hinter dem Netzwerk stecken 26 Einrichtungen, beziehungsweise viele kluge Köpfe aus denselben. Neben dem DIE als Koordinator sind das 25 Bildungseinrichtungen aus allen möglichen Teilfeldern der Erwachsenen- und Weiterbildung; aus der berufsbezogenen und betrieblichen Weiterbildung ebenso wie aus der konfessionellen, politischen oder kulturellen Weiterbildung. Wir haben kleinere und größere Einrichtungen dabei; solche mit digitalen Angebotsschwerpunkten und eher traditionell aufgestellte (falls es das nach Corona noch geben wird). Ein derartig umfassendes und irgendwie auch inhomogenes Netzwerk von Weiterbildungseinrichtungen hat es meines Wissens noch nicht gegeben.
Welchen Mehrwert gibt es für die beteiligten Institutionen?
Worin der Mehrwert im Detail bestehen wird, muss die Praxis unserer Zusammenarbeit zeigen. Unsere Annahme ist, dass es die Einrichtungen bei strategischen und pädagogischen Herausforderungen weiterbringen kann, wenn sie sich hierzu in einem geschützten Diskursraum mit Peers und Forschenden austauschen können. Im besten Falle erproben die Einrichtungen Praktiken, die irgendwann mal als Innovationen im Weiterbildungsbereich gelten. Ganz praktisch profitieren DIALOG-Einrichtungen von der Netzwerkorganisation durch DIE-Personal, durch Unterstützung bei der Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen und von freiem Zugang zu DIE-Publikationen und -Veranstaltungen.
Wissenschaft und Praxis gehören inhaltlich zusammen, arbeiten aber häufig in sehr getrennten Feldern. Wie ist es möglich, diese beiden Stränge nachhaltig miteinander zu verbinden?
Das ist die größte Herausforderung. Die Geschichte der Erwachsenenbildungswissenschaft ist eine von Nähe und Abgrenzung zur Praxis. Wir als DIE suchen wieder die Nähe (und nennen das „anwendungsorientierte Grundlagenforschung“), aber folgen keiner naiven Vorstellung von einem eindimensionalen und bruchlosen Wissenstransfer. Was gelingen kann, ist eine Verschränkung von Perspektiven auf Augenhöhe. Wissenschaft kann theoretisch untermauerte Deutungsangebote machen, die ein Reflexionsanlass für Praktiker*innen sein können. Sie kann auch empirisch erprobte Lösungen anbieten, die Handlungsoptionen für Praktiker*innen erweitern.
Wie ist der Transfer in die Praxis möglich, damit Forschungsergebnisse vor Ort angewendet werden können?
Zum Transfer gehört immer eine Aneignungskomponente; das bedeutet, dass die Praktiker*innen herausgefordert sind, wissenschaftliches Wissen auf ihre eigene Praxis zu beziehen und in Lösungen zu transformieren. Wissenschaft kann dies nicht leisten. Wohl aber kann und will das DIE Reflexionsräume schaffen, in denen Ideen, wie Praxis „anders gehen kann“, zwischen den Praktiker*innen diskutiert werden. Daher ist die Peer-Beratung im Netzwerk auch so wichtig. Ansonsten ist im Netzwerk noch eine besonders exklusive Form der Zusammenarbeit von Forschung und Praxis vorgesehen: Wo es um die forschend begleitete Erprobung einer bestimmten neuen Praxis (die Forschenden nennen das „Intervention“) geht, können DIALOG-Einrichtungen befristet zu einer „Modelleinrichtung“ dafür werden.
Können Sie dazu ein Beispiel nennen?
Innerhalb einer Modelleinrichtung kann zum Beispiel erprobt werden, welche Effekte auf Unterrichtsqualität und Arbeitszufriedenheit es hat, wenn sich ein Teil der Lehrenden zu gegenseitiger Beratung und Reflexion bereit erklären (zum Beispiel als „professionelle Lerngemeinschaft“) und andere Lehrende (quasi die Kontrollgruppe) das nicht tun.
Erhoffen Sie sich auch Erkenntnisse aus der Praxis der Weiterbildung, die die Forschung weiterbringen können?
Unbedingt, das DIE denkt Wissenstransfer immer mehrdimensional. So freuen wir uns darauf, wenn die Praxis Fragen stellt, die das DIE mit seiner Forschungsstrategie abgleichen und im besten Fall auch bearbeiten kann. Aber auch hier gilt: eins zu eins übertragbar kann und wird das nicht sein. Das wäre ja Auftragsforschung.
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE)
Das von Bund und Ländern geförderte Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) hat seinen Sitz in Bonn. Hier wird zu Fragen des Lernens und Lehrens Erwachsener, der Weiterbildungsprogramme, der Weiterbildungseinrichtungen sowie des politischen und institutionellen Kontextes des Lebenslangen Lernens geforscht. Mit den Forschungsergebnissen möchte das Institut sowohl Wissenschaft, als auch Praxis und Politik unterstützen.
Frau Gebert, warum ist es wichtig, in der Weiterbildungslandschaft über den eigenen Tellerrand zu schauen?
Weiterbildung ist ein sehr dynamisches Feld. Die Anforderungen ändern sich sehr schnell, parallel zu den gesellschaftlichen Themen. In sozialen Arbeitsfeldern, in denen wir als Paritätische Akademie NRW besonders aktiv sind, herrscht stetiger Wandel – egal, ob man sich mit Angeboten der Alltagskompetenz und Familienbildung beschäftigt oder mit der beruflichen Weiterbildung. Hier ist es wichtig, am Puls der Zeit zu sein, um die Bedürfnisse unserer Zielgruppen rechtzeitig zu erkennen und Angebote zu entwickeln, die für sie eine Relevanz in ihrem Alltagserleben haben – sei es im privaten oder im beruflichen Kontext. Dazu ist es gut, nicht nur den eigenen Blick als Grundlage zu nehmen, sondern sich mit vielen Menschen auszutauschen. Erst dadurch wird es möglich, die Vielfalt und Komplexität der unterschiedlichen Bedürfnisse in den Blick zu nehmen.
Was erhofft sich die Paritätische Akademie NRW davon, am DIALOG Praxisnetzwerk teilzunehmen?
An dem Netzwerk sind viele Bildungseinrichtungen aus ganz Deutschland beteiligt, die unterschiedliche Arbeitsfelder und Zielgruppen im Blick haben. Dies ist eine sehr gute Voraussetzung dafür, in einen mehrdimensionalen Austausch einzutreten und voneinander zu lernen. Durch Koordination und Begleitung des DIE bekommt das Ganze einen Rahmen, der einen kontinuierlichen und strukturierten Austausch sichert. Zudem ist der unmittelbare Zugang zu Forschungs- und Lernergebnissen, aber auch zu neuen Fragestellungen auf eine verlässliche Basis gestellt.
Ein gutes Beispiel dafür, warum ein solches Netzwerk wichtig ist, sind die aktuellen Herausforderungen der Online-Schulungen. Gerade im Bereich der allgemeinen Weiterbildung gibt es noch viele Optionen für konzeptionelle Arbeit in Bezug auf digitale Angebote, die wissenschaftlich begleitet werden könnten. Hier werden gerade Erfahrungen gesammelt und Möglichkeiten erprobt. Impulse von anderen Bildungseinrichtungen sind zudem eine willkommene Unterstützung.
Wie ist die Paritätische Akademie NRW bislang an die Forschung angebunden? Welche Erkenntnisse wurden zuletzt in der eigenen Weiterbildungspraxis umgesetzt?
In verschiedenen Projekten haben wir Bildungskonzepte erprobt, die wissenschaftlich evaluiert wurden. Hieraus gibt es insbesondere Hinweise, welche Effekte Zugänge und Methoden der Bildungsangebote bei den Teilnehmer*innen erzielten. Durch die wissenschaftlichen Ergebnisse konnten wir einerseits herausfinden, welche Hemmnisse wir abbauen mussten, und andererseits was gut funktionierte und wir weiterhin verfolgen können.
Zudem nehmen unsere Mitarbeiter*innen regelmäßig an Fortbildungen teil und informieren sich über aktuelle Erkenntnisse zur Methodik und Didaktik in der Erwachsenenbildung. Unser Ziel ist es, unsere Dozent*innen auf diesem Weg mitzunehmen. Daher bieten wir ihnen regelmäßig Informationen und Schulungen an. Wir binden auch Wissenschaftler*innen in unseren Projekten mit Inputs ein und machen ihre Expertise für Fachkräfte in der sozialen Arbeit zugänglich. Dadurch ermöglichen wir den Austausch von Wissen und Diskussionen. Durch das DIALOG Praxisnetzwerk gibt es nun vom Grundsatz her die Möglichkeit, Konzepte und Angebote wissenschaftlich zu betrachten, ohne dass wir selbst ein entsprechendes Projekt initiieren. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden für uns leichter zugänglich.
Vor welchen zukünftigen Herausforderungen steht die Weiterbildung, die in einem gemeinschaftlichen Netzwerk bewältigt werden können?
Durch die Coronakrise sind Online-Angebote in der Weiterbildung sehr bedeutsam geworden. Wir haben festgestellt, dass sich viele Vorbehalte, sowohl von Seiten der Dozent*innen, als auch von Seiten der Teilnehmer*innen, deutlich verringert haben. Das Image der Online-Veranstaltungen hat sich gewandelt. Zugänge und Möglichkeiten, gut zu lernen, sind besser als zunächst gedacht. Dazu hat vor allem auch beigetragen, dass sich viele unserer Dozent*innen intensiv mit der Methodik von Online-Angeboten beschäftigt haben und hier ein regelrechter Professionalisierungsschub im Gange ist.
Zudem zeichnet sich ab, dass Online-Lernen für viele Menschen barriereärmer ist als Präsenz-Lernen. Beispielsweise fallen Anfahrtswege weg oder die Selbstpräsentation in einem sozialen Kontext. Für einige Menschen sind das große Hürden. Hier ist es spannend, Erfahrungen im Netzwerk auszutauschen, gemeinsam in die Zukunft zu blicken und gute Wege und Lösungen zu finden. Und da das DIE beteiligt ist, kann zugleich geprüft werden, wo wissenschaftliche Forschung unterstützen kann. Ziel ist es, Weiterbildung für die Zukunft stabil aufzustellen und möglichst vielen Menschen Wege in die Weiterbildung zu ebnen.
Paritätische Akademie NRW
Die Paritätische Akademie NRW ist eine gemeinnützige Weiterbildungseinrichtung und ein Tochterunternehmen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Sie reagiert mit ihren Angeboten auf die dynamische Entwicklung in den sozialen Arbeitsfeldern. Davon profitieren insbesondere die Mitgliedsorganisationen im Paritätischen NRW und deren Mitarbeiter*innen. Die Paritätische Akademie NRW bietet jährlich rund 2.000 Weiterbildungsveranstaltungen landesweit an.
Artikelfoto: Adobe Stock/artbesouro
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