Viele Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen befinden sich durch die Corona-Krise in einer unsicheren Situation. Diplom-Juristin Corinna Kaufhold informiert aktuell in Online-Lernangeboten, wie es um das Arbeitsrecht steht. Im Interview beantwortet sie vorab Fragen zum Thema.
Frau Kaufhold, wie groß schätzen Sie die Unsicherheit in der aktuellen Situation bei Arbeitnehmer*innen ein?
Ich glaube, die Verunsicherung ist groß, weil viele Arbeitnehmer*innen weitreichende Konsequenzen wie Lohneinbußen oder sogar Kündigungen befürchten. Durch die Schließung von Kindertagesstätten und Schulen entsteht viel Organisationsbedarf. Gleichzeitig bekomme ich mit, dass viele Arbeitgeber*innen auf dem kurzen Weg versuchen, ihre Arbeitnehmer*innen nicht alleine zu lassen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, unabhängig von den sich aktuell stetig ändernden rechtlichen Vorgaben.

Fürchten Arbeitnehmer*innen aus gesundheitlichen Gründen auch den sozialen Kontakt, der im Büro entsteht?
Sicherlich – allein wenn ein*e Kolleg*in schon hustet, die*der einem gegenüber sitzt, entsteht Unsicherheit. Viele fragen deshalb: Kann ich einfach zuhause bleiben, wenn ein*e Kolleg*in Symptome zeigt. Trotz dieser menschlich nachvollziehbaren Sorge ist man allerdings weiterhin rechtlich verpflichtet, der Arbeit nachzugehen. Ich darf aufgrund dieser Angst nicht einfach meiner Arbeit fernbleiben. Arbeitgeber*innen haben andererseits natürlich sehr viel Fürsorge zu leisten, was sie*er für Schutzmaßnahmen leisten muss.
Was verunsichert Arbeitgeber*innen?
Sie sind natürlich durch die gesamte wirtschaftliche Situation extrem betroffen. Sie stellen sich die Frage: Wie können wir mit dem Personal, das wir zur Verfügung haben, den Betrieb ohne persönliche Gefährdung für die Mitarbeitenden aufrecht halten? Im sozialen Bereich kommt häufig die Verpflichtung gegenüber und Sorge um die Nutzer*innen, Klient*innen oder Bewohner*innen hinzu. Wie können alle beteiligten Menschen umfassend geschützt werden – vom eingeschränkten Kontakt über die Nutzung von Desinfektionsmittel bis zur Schutzkleidung?
Die einen haben gesundheitliche und finanzielle Sorgen, die anderen wollen den Betrieb aufrecht erhalten – ist das nicht ein großer Zwiespalt?
Nicht umsonst richtet Bundesarbeitsminister Hubertus Heil einen dringenden Appell an beide Seiten, pragmatische und einvernehmliche Lösungen zu finden, bei denen beide Perspektiven im Blick behalten werden und man sich entgegenkommt.
Zur Person
Corinna Kaufhold ist Diplom-Juristin, Mediatorin und Coach. Für die Paritätische Akademie NRW gibt sie aktuell Online-Lernangebote zum Thema “Aktuelle Fragestellungen aus dem Arbeitsrecht in der Corona-Krise”. Darin informiert Sie über die aktuellen arbeitsrechtlichen Themen.
Was müssen Arbeitgeber*innen leisten, um ausreichend fürsorglich zu sein?
Zum einen bestand generell und auch schon vor der Corona-Krise die Pflicht seitens der Arbeitgeber*innen, für ausreichende Schutzmaßnahmen im Dienst zu sorgen. Zum anderen hat sich das durch die aktuelle Situation verschärft. Wichtig sind Aufklärung und Schutzmaßnahmen. Verhaltensregeln nach den Hygienevorschriften müssen aufgestellt und sollten durch Aushang bekannt gegeben werden, dazu zählen das Verbot des Händeschüttelns, die Anweisung zu regelmäßigem Händewaschen oder das Bereitstellen von Desinfektionsmitteln. Bestimmte Verhaltensweisen müssen untersagt werden. Zum Beispiel sollen Sozialräume im Unternehmen nicht mehr genutzt werden, es soll keine Ansammlungen mehr in einzelnen Räumen wie Küchen geben. Dazu zählt, dass Erkrankte oder unter dem Verdacht der Ansteckung stehende Arbeitnehmer*innen freigestellt werden können.
Haben Arbeitnehmer*innen einen Anspruch auf Homeoffice?
Kurze Antwort: Nein. Genau wie ein*e Arbeitgeber*in nicht das Recht hat, Homeoffice anzuordnen. Das hat damit zu tun, dass die Wohnung ein grundrechtlich geschützter Bereich ist. Weil in der Corona-Krise staatliche Gesundheitsbehörden Lösungen für die Arbeit zuhause empfehlen und von Arbeitgeber*innen umgesetzt sehen wollen, wurde der Zugang allerdings aktuell stark vereinfacht – zum Beispiel für das sogenannte mobile Arbeiten, das sich vom Homeoffice unterscheidet.
Unter mobilem Arbeiten ist zu verstehen, dass Arbeitnehmer*innen ein mobiles Endgerät (z.B. Laptop) zur Verfügung gestellt bekommen und ihre Arbeit an typischerweise wechselnden Orten außerhalb des Betriebes ausüben. Das kann im Zug sein, im Hotel oder zuhause. Dabei muss man nicht die strengen Auflagen erfüllen wie für einen klassischen Homeoffice-Arbeitsplatz nach der Arbeitsstättenverordnung. Arbeitnehmer*innen müssen dabei lediglich erreichbar sein. Bei beiden Modellen gelten allerdings die Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetze. So müssen Arbeitgeber*innen die Beschäftigten zum Beispiel über Sicherheit und Gesundheitsschutz während ihrer Arbeit unterweisen.
Welche Rahmenbedingungen muss man denn beachten, um sicher von zuhause arbeiten zu können?
Für das Arbeiten im Homeoffice hat die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) auf ihrer Internetseite ein sehr anschauliches Poster veröffentlicht. Aktuell kann allerdings nicht erwartet werden, dass wie für Homeoffice üblich auf die Schnelle ein eigener Büroraum zur Verfügung steht. Das mobile Arbeiten betrifft das wie bereits erwähnt nicht. Wenn arbeitsschutzrechtliche Maßnahmen erfüllt sind, ist das mobile Arbeiten der einfachere Zugang. Hierbei hilft eine Checkliste des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (IFAA).
Unabhängig davon, welches Modell Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen wählen: Wichtig ist es, die Rechte und Pflichten beider Seiten festzuhalten. Eine Betriebsvereinbarung ist daher sinnvoll. Themen wie Arbeitsmittel, Datenschutz, Haftung, Kosten und Widerrufsmöglichkeiten sollten dabei einen festen Bestandteil darstellen.
Wie halten Sie sich als Arbeitsrechtlerin in der aktuellen Situation auf dem Laufenden – die Nachrichtenlage ändert sich momentan gefühlt stündlich.
In diesen Zeiten gibt es bei einigen Fragestellungen zur aktuellen Situation noch keine Rechtssicherheit. Die Informationsquellen der Bundesministerien geben fast täglich aktualisierte Informationen heraus. Viele Absprachen, die mit Arbeitnehmer*innen vereinbart werden, habe den Charakter der Freiwilligkeit. Es gilt, einvernehmliche Lösungen mit Blick auf die Gesamtsituation zu finden. Der Appell der Bundesministerien ist, gemeinsam kreative Ideen und Lösungen zu finden. Die anwendbaren Gesetze, Verordnungen und sonstige Vorschriften können sich kurzfristig ändern. Deshalb sollte man immer die aktuellen Veränderungen verfolgen.
Haftungsausschluss
Der Inhalt dieser Thematik ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden und stellt keine Beratung dar. Das Thema kann im Einzelfall auch nicht die Beratung durch eine*n Anwalt*Anwältin ersetzen. Die Komplexität und der ständige Wandel der Rechtsmaterie machen es notwendig, Haftung und Gewähr unsererseits auszuschließen.
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Kommentar
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Arbeitsrecht in Zeiten von Corona. Interessant, dass es für diese neue Situation noch keine Rechtssicherheit für arbeitsrechtliche Vorgänge gibt. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass man sich bei Unsicherheiten mit einem Gespräch mit einem Rechtsanwalt absichern sollte.